Italien und Albanien haben mit ihrer umstrittenen Kooperation in der Asylpolitik international für Aufsehen gesorgt. Etliche europäische Staaten sehen in dem Konzept ein Modell für die Zukunft.
Zäune, strenge Kontrollen an den Grenzen und vor allem: Asylzentren in sogenannten Drittstaaten nach dem Vorbild des EU-Mitglieds Italien, das mit Albanien kooperiert. All das soll die “neue Normalität” in Europa sein, wenn es nach der Staatsführung Ungarns, Serbiens und der Slowakei geht. Bei einem Treffen diese Woche in der Slowakei hatten Viktor Orban, Aleksandar Vucic und Robert Fico über die Zusammenarbeit ihrer Länder in Sachen Migration beraten. Experten äußern jedoch erhebliche Bedenken mit Blick auf das Konzept der drei Politiker.
Laut Stanko Perica, Regionaldirektor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, kommen Zentren in Drittstaaten einer Auslagerung von Europas Pflichten gleich. “Diese Strategie untergräbt das Kernprinzip des Asylrechts, indem sie eine künstliche Distanz zwischen Europa und den Schutzsuchenden schafft.”
Nach dem Treffen teilte Orban mit: “Die einzige Möglichkeit, die europäische Migrationskrise zu lösen, besteht darin, unsere Grenzen zu schützen und die Migration zu stoppen.” Dabei sei diese Strategie nicht nur unrealistisch, meint Perica. Sie beraube die Betroffenen ihrer Würde. Und: “Statt das Problem nur weiter von den Grenzen Europas weg zu verlagern, brauchen wir Lösungen, die Menschenrechte und Schutzmechanismen priorisieren. Wir brauchen eine Lösung der strukturellen Probleme, die Menschen zur Migration zwingen.”
Die Augen der EU und ihrer Mitglieder sind auf das neue Asyl-Abkommen zwischen Italien und Albanien gerichtet – spätestens seit ein Gericht in Rom den Deal vergangene Woche vorübergehend auf Eis legte. Vor einem Jahr hatten Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihr albanischer Amtskollege Edi Rama den Vertrag unterzeichnet, der für Mittelmeer-Migranten einen Asylprozess in speziellen Einrichtungen an der albanischen Küste vorsieht.
Die ersten Migranten aus Ägypten und Bangladesch erreichten den Hafen von Shengjin vorige Woche. Drei Tage später mussten sie zurück nach Italien: Das Gericht äußerte Bedenken über die Einstufung zu sicheren Herkunftsländern. In die albanischen Lager sollen laut dem Abkommen nur solche Migranten geschickt werden, die kaum Aussicht auf einen positiven Asylbescheid haben.
In Südosteuropa rief der Deal zwischen Italien und Albanien gemischte Reaktionen hervor. Kosovos Ministerpräsident Albin Kurti sprach sich kürzlich gegen weitere Asylzentren von EU-Mitgliedsländern auf dem Balkan aus. Und Edi Rama hatte bereits im Vorfeld betont, dass das Abkommen mit Italien eine “einmalige Sache” sei.
Für Rados Djurovic, Direktor des Asylum Protection Center in Belgrad, bleiben ausgelagerte Asylzentren ein sonderbares Konzept, das gegen EU-Vorgaben verstoße. Dennoch, so schätzt er, sei in den nächsten Jahren mit weiteren politischen Vorstößen dieser Art zu rechnen. Der Balkan könnte dabei eine zentrale Rolle spielen. Im Raum stehe etwa die Errichtung von Abschiebezentren in Ländern wie Bosnien-Herzegowina oder Serbien.
Obwohl Staatschef Vucic solche Zentren auf serbischem Boden jüngst ablehnte, arbeitet sein Land in Sachen Migration bereits eng mit der EU zusammen. Im Juni einigten sich Belgrad und Brüssel auf eine Ausweitung des Frontex-Einsatzes auf serbischem Gebiet. Demnach dürfen die EU-Grenzschützer auch abseits der EU-Außengrenze tätig werden, um etwa an den Grenzen mit Nordmazedonien und Bosnien-Herzegowina zu patrouillieren.
Beobachtern zufolge erhoffen sich Länder von der Kooperation einen beschleunigten EU-Beitritt. “Für die Balkan-Staaten ist das eine Möglichkeit, Punkte zu sammeln und sich der EU und ihren Mitgliedern als vertrauenswürdiger Partner zu präsentieren”, so Djurovic.