Dass Saudi-Arabien seit einigen Jahren eifrig an seinem neuen Image als moderner, weltoffener Staat arbeitet, ist bekannt. Besonders nötig geworden war das seit dem brutalen Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018, der mutmaßlich von ganz oben – also dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman – befohlen worden war. Was all dies mit einer TV-Dokumentation über die Tiefsee zu tun hat? Nun, der Film “In unbekannten Tiefen”, den Arte am Donnerstag, 30. Mai, um 20.15 Uhr ausstrahlt, dürfte den Machthabern in Riad zumindest nicht missfallen. Fügt er sich doch gut ein ins Projekt “Charmeoffensive”.
In der Doku wird die Forschungsarbeit von Mitarbeitern der König-Abdullah-Universität für Wissenschaft und Technologie (KAUST) im saudischen Thuwal ausführlich präsentiert, und zwar auf durchweg affirmative Weise: Zu Wort kommen ausschließlich KAUST-Wissenschaftler, deren Arbeit ohne jegliche Distanz oder gar Kritik präsentiert wird. Damit erinnert “In unbekannten Tiefen” mehr an einen Imagefilm als an ein unabhängiges journalistisches Werk.
Doku spart nicht mit Pathos und großen Vergleichen
Der Film ist eine Koproduktion der japanischen Produktionsfirma NHK mit ZDF Enterprises, einer privatrechtlichen Tochtergesellschaft des ZDF; Regie führte Taishi Inoue. Die Filmemacher begleiten eine Expedition in die laut Off-Kommentar kaum erforschten Tiefseeregionen des Roten Meers. Das Forschungsschiff ist kein geringeres als die “OceanXPlorer”, ein Fabrikat der Superlative. Ausgestattet mit zwei Tiefsee-Tauchbooten, dazu ein ferngesteuertes Unterwasserfahrzeug, das bis zu 6.000 Meter tief tauchen kann, bordeigene Labore mit 3D-Scannern: laut Betreiberfirma das modernste Medien- und Forschungsschiff der Welt.
Auch die Doku spart nicht mit Pathos und großen Vergleichen, kündigt zu Beginn – untermalt von hochdramatischer Musik -, eine Expedition zu “möglichen Zeugen der Entstehung des Lebens”, “Horizonten zwischen Leben und Tod”, “Abgründen” und “Geheimnissen” an. Tatsächlich erhält man hier Einblicke in interessante Lebensformen, von deren Existenz man bislang nichts wusste: lebendige “Schlotwälder”, umflattert von “Mikroben-Matten”. Solebecken am Meeresboden, in denen der Salzgehalt vier Mal so hoch ist wie im Meereswasser – kaum ein Lebewesen, das sich hier hinein verirrt, überlebt das.
Grafiken illustrieren Entstehung des Roten Meeres
Dazu erfährt man von Walhaien, die sich in ihren Jugendjahren gern im warmen Nebenmeer des Indischen Ozeans aufhalten: Durch seine besonders klare Wasserqualität erwärmt sich das Rote Meer bis weit unter die Meeresoberfläche, was die Tiere schätzen – ebenso wie dessen großes Nahrungsangebot.

Die Aufnahmen aus der Tiefsee sind einerseits durch ihre weitgehend unerforschten Motive spannend, andererseits aber doch auch oft – wir befinden uns teilweise immerhin in fast einem Kilometer Tiefe – verwaschen, schummrig, erhellt lediglich vom Licht der Tauchboote. Zu diesen Bildern kombiniert der Film Grafiken, die etwa die Entstehung des Roten Meeres illustrieren, sowie Interviews mit dem Mikrobiologen Takashi Gojobori, dem Ökologen Carlos M. Duarte oder dem Biologen Jesse Cochran.
Brave, wenig eigenständige Abbildung einer Forschungsreise
Von einer selbstbewussten Gesprächsführung kann man dabei allerdings nicht sprechen; Regisseur Taishi Inoue lässt die Forscher vielmehr einfach von ihren Entdeckungen berichten. Was funktionieren könnte – wenn die Protagonisten charismatischer wären, durch Dramaturgie und Schnitt eine klare, mitreißende Erzählung entstünde, insgesamt mehr Gestaltungswille erkennbar wäre. Tatsächlich aber tritt keine zentrale Frage, kein roter Faden hinter dem Film hervor; das Ganze erscheint als brave, wenig eigenständige Abbildung einer Forschungsreise.
Manches bleibt dennoch im Gedächtnis: Eindrückliche maritime Bezeichnungen wie “Gelbflossen-Stachelmakrele”. Die Sole, die durch ihren hohen Salzgehalt eine Art “Wand aus Wasser” bildet, den Roboter der “OceanXPlorer” geradezu zurückstößt. Aber auch: die brutale Beiläufigkeit, mit der eine Seeanemone einen Laternenfisch verschlingt.