Die Daten kündigen nach einem Jahr voller Entbehrungen eine Kehrtwende an: Argentiniens Wirtschaft ist im dritten Quartal gewachsen, die Armutsquote leicht rückläufig. Die Kirche mahnt, die Verlierer nicht zu vergessen.
Nach zwei Quartalen mit starker Rezession infolge des harten Reformkurses des libertären Präsidenten Javier Milei erholt sich die argentinische Wirtschaft. Wie die Tageszeitung “La Nacion” (Dienstag) berichtet, verzeichnete die Wirtschaft des südamerikanischen Landes im dritten Quartal des Jahres verglichen mit den vorangegangenen drei Monaten ein Wachstum von 3,9 Prozent. Hauptgründe für die Trendumkehr seien der Inlandskonsum und Investitionen.
Zudem sank durch Mileis Reformkurs die monatliche Inflation von 25 auf unter drei Prozent, überdies konnte das hochverschuldete Land erstmals wieder Haushaltsüberschüsse einfahren. Der Wert des argentinischen Börsenindex Merval verdoppelte sich nahezu. Problematisch ist dagegen weiterhin die Zurückhaltung in Industrie und Baugewerbe; dort gab es keine Zuwächse. Außerdem habe sich der Aufschwung im September verlangsamt.
Die Schattenseite des strikten Reformkurs war seit Jahresbeginn die wachsende Armut im Land. Zum Ende des ersten Halbjahres stieg die Armutsquote auf 52,9 Prozent. Grund dafür waren unter anderem Massenentlassungen im öffentlichen Dienst sowie radikale Sparmaßnahmen der Regierung. Zuletzt meldete die Katholische Universität UCA jedoch, dass die Armutsquote zum Ende des dritten Quartals auf 49,9 Prozent gesunken sei. Das staatliche Statistikamt verzeichnete eine Armutsquote von 46,8 Prozent. Die unterschiedlichen Zahlen kommen durch verschiedene Erhebungsmethoden zustande. Beide Institute sehen aber eine leichte Erholung.
Bei Sozialorganisationen und der Kirche ist der Reformkurs wegen seiner Härte umstritten. Die in den einkommensschwachen Stadtvierteln aktiven Armenpriester berichten, dass die Güter des täglichen Bedarfs durch den Preisanstieg für die dort lebende Bevölkerung praktisch nicht mehr zu bezahlen seien.
Die katholische Kirche in Argentinien rief die Regierung jüngst auf, die Verlierer des Reformkurses nicht aus dem Blick zu lassen. Die Politik dürfe die soziale Perspektive nicht vernachlässigen. “Sie muss sich auch um die Armen kümmern, die ansonsten immer mehr von der Möglichkeit der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden”, sagte der Vorsitzende der Argentinische Bischofskonferenz, Erzbischof Marcelo Daniel Colombo von Mendoza, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er kritisierte, dass in der vergangenen Woche durch eine Regierungsverordnung Menge und Art der Medikamente drastisch reduziert worden seien, die durch die Sozialversicherung für Rentner zur Verfügung gestellt würden.
Milei hatte bei seinem Amtsantritt vor einem Jahr schwere und entbehrungsreiche zwölf Monate angekündigt – danach werde sich die Wirtschaft aber erholen. Die Investmentbank JPMorgan sieht Argentinien mittlerweile auf dem Weg aus der Rezession und erwartet für das nächste Jahr ein spürbares Wirtschaftswachstum von etwa fünf Prozent. Ende 2025 stehen in Argentinien die “Halbzeitwahlen” an, bei denen in Teilen über die Zusammensetzung im Kongress und Senat entschieden wird.