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Arbeitsgruppe: Kirche ist an queeren Menschen schuldig geworden

Queer lebende Menschen haben nach Einschätzung einer synodalen Arbeitsgruppe (AG) in der bayerischen evangelischen Landeskirche großes Leid erfahren. „Einzelne Verantwortliche und die Kirche als Ganze sind an betroffenen Personen schuldig geworden“, heißt es in der Vorlage der AG Queer zum Umgang mit queeren Menschen in der Landeskirche. Das Papier lag der in Augsburg tagenden Landessynode zur Beratung vor. Als Beispiele nannte die AG unter anderem: dienstliche Ungleichbehandlung, Behinderung von Karrieren, Durchgriff ins Privatleben oder die Aufforderung zum Leben in Doppelmoral.

Das alles habe zwar der damals geltenden Rechtslage nicht widersprochen, heißt es in dem Papier weiter. Dennoch sei es „unangemessen, ungerechtfertigt und diskriminierend“ gewesen. Die Kirche sei nun aufgefordert, sich entschlossen, um die rechtliche Gleichstellung von queeren und queer lebenden Menschen zu bemühen. „Das Recht auf Vielfalt gilt allen, und es ist für niemanden nur bequem.“ Die Arbeitsgruppe hat als Fazit ihrer Analyse eine Reihe von Empfehlungen zum Umgang mit queeren Menschen erarbeitet, die von der Synode am Mittwochabend mit großer Mehrheit angenommen wurden.

Ein eigenes Schuldbekenntnis hatte die Arbeitsgruppe zwar nicht empfohlen. Es müsse vielmehr alles dafür getan werden, solch unangemessene Vorgehensweisen künftig zu verhindern. Auf allen Ebenen müssten Personen für das Thema sensibilisiert und die rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechend angepasst werden. Analog zur staatlichen „Ehe für alle“ schlägt die Arbeitsgruppe außerdem vor, den Gottesdienst zur Eheschließung – unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung oder Konfession – „Trauung“ zu nennen.

Pfarrerinnen und Pfarrer sollten aber weiterhin die Segnung von queeren Paaren verweigern dürfen, so die Empfehlung der Arbeitsgruppe. Als Begründung nannte sie den Gewissensschutz, der auch im Pfarrdienstgesetz verankert ist. Dieser Grundsatz könne nicht aufgehoben werden. Konkret empfiehlt die Arbeitsgruppe, um die Queer-Sensibilität auch strukturell und juristisch zu verankern unter anderem: eine queer-sensible Sprache im Kommunikationsbereich der Landeskirche, die Positionierung als queer-freundliche Arbeitgeberin, Unterstützung von queer-freundlichen Initiativen oder regelmäßige Befragungen zu Diskriminierung.

Zum Tragen kommt das Papier der Arbeitsgruppe gleich in Augsburg, weil die Synode dort über eine Reihe von Eingaben entscheiden muss. Die umfassendsten Forderungen kommen von der Evangelischen Jugend in Bayern (ejb). Sie fordert unter anderem ein Schuldbekenntnis der kirchenleitenden Organe wegen ihres teils diskriminierenden Umgangs mit queeren Menschen, die Trauung für alle und eine Abschaffung des Gewissensschutzes für Pfarrerinnen und Pfarrer bei Eheschließungen von queeren Paaren. Der theologisch konservative Arbeitskreis Bekennender Christen (ABC) lehnt diese Forderungen ab und hat dazu eine eigene Eingabe eingereicht.

Die Mitglieder des Gremiums wüssten, dass es hohe Erwartungen an die Arbeitsgruppe und ihre Vorschläge gebe, hatte der Vorsitzende der AG Queer, der Synodale Christian Albrecht, der auch Professor für Praktische Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München ist, in seinem Bericht am Montagabend gesagt. Die Arbeitsgruppe habe versucht, Mittelwege zu finden und Kompromisslinien zwischen Progressiven und Konservativen zu zeigen: „Ich wünsche mir, dass wir hier auf der Synode so diskutieren, wie wir in der Arbeitsgruppe diskutiert haben: mit großem Sinn für alle berechtigten Anliegen und mit großem Sinn auch füreinander.“

Das ist offenbar gelungen: Landesbischof Christian Kopp bezeichnete die Erarbeitung des Papiers, den respektvollen Umgang der AG-Mitglieder untereinander und die Abstimmung über das Papier als „Meisterstück“ der Synode. „Wir sind sehr verschieden, aber wir finden immer wieder zusammen.“

Synodenpräsidentin Annekathrin Preidel erkannte bei einer Schweigeminute an, dass queere Menschen in der Landeskirche Leid erfahren haben. Auch wenn kein offizielles Schuldbekenntnis empfohlen wird – der Synodale und Vertreter des lesbisch-schwulen Konvents Bayern, Bernhard Offenberger, sprach sich dafür aus, dass der von Preidel aus dem AG-Papier vorgelesene Passus als Schuldeingeständnis in angemessener Form in die Kirchengemeinden und in die Öffentlichkeit getragen werden soll. (1154/02.04.2025)