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AOK-Report: Wachsender Anteil Hochaltriger in Krankenhäusern

Die wachsende Zahl alter Menschen stellt die Medizin vor große Herausforderungen. Schon jetzt werden in den Kliniken immer mehr Senioren mit mehrfachen Erkrankungen behandelt.

Deutschlands Krankenhäuser müssen in den kommenden Jahren mit einer doppelten Herausforderung fertig werden: Erwartet werden deutlich weniger Personal und immer mehr hochaltrige Patienten. Darauf seien die Kliniken nur ungenügend vorbereitet, heißt es in dem am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Krankenhaus-Report der Krankenkasse AOK.

In den 2050er und 2060er Jahren werden nach Prognosen der Bevölkerungsforscher zwischen 7 und 10 Millionen hochaltrige Menschen in Deutschland leben. Gleichzeitig sinkt die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter deutlich.

Ein Schlüssel zur Lösung des Problems liegt aus Sicht der AOK in einer besseren häuslichen Versorgung pflegebedürftiger Patientinnen und Patienten: Dadurch könnten nach einer Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) rund 1,4 Millionen Krankenhaus-Aufenthalte pro Jahr vermieden werden. Das entspricht etwa 36 Prozent aller Krankenhausfälle pflegebedürftiger Personen. Nach dem Vorbild anderer europäischer Länder sollte zudem die Versorgung hochaltriger Menschen vor und nach einem Krankenhausaufenthalt verbessert werden, rät die AOK.

Laut Krankenhaus-Report ist der Anteil der Menschen über 80 Jahren an allen Krankenhausfällen in den letzten knapp zwanzig Jahren kontinuierlich gestiegen – von 13 Prozent 2005 auf 22 Prozent 2023. Bei den Hochaltrigen liegen zudem meist mehrere Erkrankungen gleichzeitig vor. Außerdem haben sie beispielsweise infolge von Demenz oder starker Gebrechlichkeit oft einen besonders hohen medizinischen und pflegerischen Bedarf.

Der steigende Anteil hochaltriger Patienten hat auch ökonomische Auswirkungen: Die Krankenhaus-Verweildauer ist bei den Patientinnen und Patienten über 80 Jahren mit durchschnittlich 8,1 Tagen fast doppelt so hoch wie bei den Menschen unter 60. Die durchschnittlichen Krankenhaus-Kosten waren bei den über 80-Jährigen mit 3.351 Euro im Jahr 2023 fast sieben Mal so hoch wie bei den unter 60-Jährigen mit 470 Euro.

Der Krankenhaus-Report zeigt verschiedene Ansätze auf, wie die Versorgungsstrukturen verbessert werden können. Dazu gehört aus Sicht der Expertinnen und Experten vor allem die Verhinderung oder Verkürzung stationärer Behandlungen durch eine bessere Versorgung vor und nach einem Krankenhausaufenthalt. “Wir müssen dafür sorgen, dass nur die Menschen im Krankenhaus behandelt werden, deren stationäre Behandlung nicht vermieden werden kann”, erklärte David Scheller-Kreinsen, stellvertretender WIdO-Geschäftsführer und Mitherausgeber des Reports. Eine ambulante Versorgung sei für die Betroffenen in der Regel medizinisch sinnvoller, ökonomisch günstiger und könne helfen, die kostbaren Krankenhaus-Ressourcen “sparsam und zukunftsfest” einzusetzen.

Laut Krankenhaus-Report müssten die Erkrankungen identifiziert werden, die idealerweise von einem niedergelassenen Arzt oder von Pflegeberufen versorgt werden sollten. Auch die von der Ampel-Koalition geplanten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen, die neben stationären auch erweiterte ambulante sowie medizinisch-pflegerische Leistungen anbieten, könnten die Krankenhäuser entlasten. “Der Fokus sollte dabei ganz klar auf der ambulanten Versorgung mit Übernachtungsmöglichkeit und auf der Anschlussversorgung nach einem Krankenhausaufenthalt liegen”, forderte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann. Gerade hochbetagte Menschen, die keine High-TechMedizin in einem Akut-Krankenhaus benötigten, sondern hauptsächlich eine grundlegende Diagnostik, gute pflegerische Betreuung und Überwachung, könnten von dieser Versorgungsform profitieren.

Clemens Becker, Leiter der “Unit Digitale Geriatrie” am Geriatrischen Zentrum des Universitätsklinikums Heidelberg, sprach sich zudem dafür aus, stärker in die Allgemeinmedizin und die Prävention zu investieren. Auch Angebote wie die Kurzzeitpflege sollten gestärkt werden.