Der Berliner Antisemitismusforscher Wolfgang Benz hat der Freien Universität im Zusammenhang mit dem gewalttätigen Angriff auf einen jüdischen Studenten zögerliches Handeln vorgeworfen. In der Auseinandersetzung über die Lage in Nahost hätten Radau, antisemitische Parolen sowie Geschrei und Beleidigungen an einer Universität nichts zu suchen, sagte der langjährige Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin am Donnerstag im RBB-Inforadio. Da müsse sich die Hochschule deutlich positionieren.
Der 30-jährige Bruder des Comedians Shahak Shapira war am Freitagabend vergangener Woche auf einer Berliner Straße von einem 23-jährigen Mitstudenten angegriffen und mit Schlägen und Tritten schwer verletzt worden. Der Tatverdächtige soll unter anderem im Dezember bereits bei einer Hörsaalbesetzung propalästinensischer Aktivisten beteiligt gewesen sein.
Benz betonte, Entscheidungsträger würden derzeit schnell in Schreckstarre verfallen, „wenn nur das Wort Antisemitismus am Horizont als Vorwurf erscheint“. Dieser Vorwurf werde im Augenblick „pauschal und überall ganz schrecklich schnell erhoben“ und sei verengt worden auf die politische Haltung gegenüber Israel. Dabei hätten Universitätsgremien, Verbände oder Behörden Angst, das Falsche zu tun. „Die einen reagieren über und die anderen gar nicht – und das ist das derzeitige Dilemma eines politisierten und für alle möglichen Zwecke instrumentalisierten Antisemitismusbegriffs“, sagte der 82-jährige Zeithistoriker.