Die Dokumentations- und Informationsstelle Antisemitismus in Mecklenburg-Vorpommern (DIA.MV) hat im vergangenen Jahr 92 antisemitische Vorfälle in MV dokumentiert. Das seien 77 Prozent mehr als im Vorjahr (2023: 52 Vorfälle), teilte die zivilgesellschaftliche Meldestelle am Montag in Schwerin anlässlich der Veröffentlichung ihres Jahresberichts 2024 mit. Die Vorfälle reichten von verbalen Anfeindungen im öffentlichen Raum über Schmierereien an Gedenkorten bis hin zu gezielten Angriffen, hieß es. Sie machten deutlich, „wie sich antisemitisches Denken in den Alltag einschreibt – oft unterhalb der Strafbarkeitsgrenze, aber mit realen Auswirkungen auf Betroffene und die Sichtbarkeit jüdischen Lebens in Mecklenburg-Vorpommern“, erklärte DIA.MV.
Angesichts der steigenden Zahl antisemitischer Vorfälle fordert DIA.MV nach eigenen Angaben von Politik, Bildungseinrichtungen und Zivilgesellschaft, sich klar gegen Antisemitismus zu positionieren und entschlossen Maßnahmen zu ergreifen. Insbesondere im Bildungsbereich sei eine stärkere Auseinandersetzung mit Antisemitismus und anderen Formen der Diskriminierung erforderlich, hieß es. Alle gesellschaftlichen Akteure müssten Antisemitismus konkret benennen und sich gegen jede Form des Antisemitismus einsetzen.
Obwohl die Mehrzahl der dokumentierten Vorfälle keine direkten Betroffenen habe, „tragen auch antisemitische Schmierereien, Aufkleber und Redebeiträge bei Versammlungen zur Verbreitung antisemitischer Inhalte im öffentlichen Raum bei und können in den Sozialraum von Betroffenen gelangen und damit Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl haben“, hieß es.
Die Mehrheit der Vorfälle ereignete sich laut DIA-MV im öffentlichen Raum, darunter auf der Straße und im öffentlichen Personennahverkehr. Dokumentiert wurden aber unter anderem auch drei Vorfälle am Arbeitsplatz und acht Vorfälle in Bildungseinrichtungen.
Die häufigste Erscheinungsform von Antisemitismus sei wie in den Vorjahren der Post-Schoah-Antisemitismus gewesen, hieß es. Dabei handele es sich um die Leugnung und Relativierung der Schoah sowie um die positive Bezugnahme auf die Verbrechen. Jeder zweite Vorfall habe Bezüge zu dieser Form des Antisemitismus gezeigt und reiche von der affirmativen Bezugnahme auf den Wunsch einer „Vergasung“ bis zur Bezeichnung der Schoah als „Lüge“.
Der Jahresbericht 2024 zeige, dass Antisemitismus in MV kein Randphänomen ist, hieß es. Die dokumentierten Vorfälle ließen sich unterschiedlichen politischen Hintergründen zuordnen, die Mehrzahl (33 Vorfälle) weise einen rechtsextremen Hintergrund auf. 28 Vorfälle konnten laut DIA.MV keinem politischen Hintergrund zugeordnet werden. Für Betroffene sei es oft besonders verunsichernd, wenn sie nicht zuordnen könnten, von wem antisemitische Vorfälle ausgehen, hieß es.
„Es ist wichtig ein Lagebild zu antisemitischen Vorfällen im Bundesland zu haben, um Entwicklungen qualitativ beschreiben zu können. Die dokumentierten Vorfälle 2024 zeugen von einem zunehmendem Klima des Hasses“, erklärte DIA.MV.
In einem Kapitel analysiert DIA.MV nach eigenen Angaben Vorfälle, bei denen Antisemitismus in Verbindung mit anderen Diskriminierungsformen wie beispielsweise Rassismus auftrat. „Dabei dient der Rechtsextremismus oftmals als eine ideologische Klammer und stellt eine ernsthafte Bedrohung für Jüdinnen:Juden in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch für die Demokratie und den sozialen Zusammenhalt dar“, hieß es.