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Anna-Nicole Heinrich – höchste evangelische Ehrenamtliche will anecken

Wenn EKD-Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich eine Gemeinde in Niedersachsen besucht, dann geht es nicht nur um die Kirche der Zukunft, sondern auch um Privates. Eine Nachfrage irritiert jedoch.

Anna-Nicole Heinrich ist die jüngste EKD-Synodenpräses aller Zeiten
Anna-Nicole Heinrich ist die jüngste EKD-Synodenpräses aller Zeitenepd-Bild/Tim Wegner

Dass die Kirchengemeinden vor enormen Herausforderungen stehen, ist kein Geheimnis. „Ich mache mir ziemliche Sorgen um den Zusammenhalt, wenn es immer weniger Haupt- und Ehrenamtliche gibt“, sagt Martina Thau von der Kirchengemeinde Groß Berkel in der Nähe von Hameln. Von der Begegnung mit der EKD-Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich in der Nachbargemeinde Aerzen verspricht sich die 60-Jährige neue Ideen.

Wie sie sitzt auch Günther Meyer im Publikum. Er blickt mit Sorge auf die immer höheren Anforderungen an die Ehrenamtlichen in den Gemeinden. Immer neue Vorschriften und Aufgaben wie die Einführung der Doppik seien eine große Belastung für die Ehrenamtlichen, sagt der 86 Jahre alte Mann aus Aerzen, der seit 1970 im Kirchenvorstand ist.

Publikum erhofft sich neue Sichtweisen

Das Ehrenamt, aber auch die Zukunft der Kirche sollen in der Begegnung zur Sprache kommen, wünscht sich der Aerzener Pastor Christoph Vetter. Er hat die „oberste Ehrenamtliche“ der evangelischen Kirche in der Veranstaltungsreihe „donnerstags“ eingeladen. Wie also wird die Kirche attraktiv?

Vom Gast Anna-Nicole Heinrich, die erst vor drei Jahren als jüngste Frau an die Spitze der EKD-Synode gewählt wurde, verspricht man sich ungewohnte Sichtweisen, neuen Schwung. Denn die 27-jährige Philosophin steht für eine junge Generation, die für Wandel in der evangelischen Kirche steht.

Sportlich: Bei einem Besuch in Flensburg drehte Anna-Nicole Heinrich eine Runde auf einem BMX-Rad
Sportlich: Bei einem Besuch in Flensburg drehte Anna-Nicole Heinrich eine Runde auf einem BMX-RadTim Riediger / Nordpool

„Hauptamtliche erzählen viele Richtigkeiten“, sagt Heinrich kritisch. „Aber an ihrem Glauben lassen sie mich nicht teilhaben.“ Es sei wichtig, noch stärker nach Anknüpfungspunkten bei den Menschen zu suchen, die nicht kirchlich sozialisiert seinen, fordert Heinrich.

“Ich erzähle meiner Oma beim Sonntagsessen nicht vom Klimaschutz”

Ihre Antworten auf Vetters Fragen, in denen es nicht nur um die Kirche der Zukunft geht, sondern auch um um Klimaschutz und Rechtsextremismus, ergänzt Heinrich mit eigenen Erlebnissen. „Ich erzähle meiner Oma beim Sonntags­essen auch nicht die ganze Zeit vom Klimaschutz“, sagt Heinrich und erntet dafür Lachen. Das kommt bei den rund 20 Zuhörerinnen und Zuhörern aus Aerzen und den Nachbargemeinden an. Doch wie die Kirche der Zukunft aussehe, könne sie pauschal nicht beantworten, betont Heinrich. Die Antworten fielen von Ort zu Ort verschieden aus. „Wir müssen uns noch viel stärker an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten.“ Dazu brauche es Experimente und Menschen mit Mut, „freie Radikale“.

In der zweiten Hälfte der Begegnung bahnt sich schließlich die Neugierde auf den Menschen hinter dem Amt Bahn. Eine Frage aus dem Publikum überrascht: Wie sie als so junger Mensch in ein so wichtiges Amt komme, fragt ein älterer Teilnehmer. Die Synodenpräses zögert kurz und erzählt dann, dass sie gefragt worden sei. „Ich war in der Synode, um Verantwortung zu übernehmen. Da habe ich zugesagt.“

“Ich hatte Angst, zu schnell präsidial zu werden”

Aufgewachsen ist Heinrich in einer nicht-christlichen Familie in Bayern. „Ich bin eher durch Glück als Verstand zum Glauben gekommen“, sagt sie. Als Schulkind habe sie sich mit ihrer Mutter taufen lassen, habe sich in der evangelischen Jugend engagiert. Später sei ein kirchliches Ehrenamt zum anderen gekommen, so Heinrich, die hauptberuflich als Wissenschaftliche Hilfskraft und stellvertretende Frauenbeauftrage an der Universität Regensburg arbeitet.

Wie hoch ihr Anspruch ist, macht Heinrich deutlich. „Ich habe eine mega­mächtige Position in der Kirche.“ Umso mehr bemühe sie sich um ausgewogenes Auftreten. „Ich hatte Angst, zu schnell zu präsidial zu werden.“ Doch genauso wenig habe sie als „die Freche“ gelten wollen. Mittlerweile habe sie jedoch eine Balance gefunden, ist sie überzeugt. „Nach manchen Veranstaltungen denke ich trotzdem, du hättest ruhig mehr anecken können.“