Die Euthanasie-Gedenkstätte Lüneburg lässt erstmals Menschen zu Wort kommen, deren Angehörige Opfer oder Täter der NS-Psychiatrie waren. In den vergangenen Jahren aufgenommene Interviews sollen am kommenden Sonntag im Rahmen einer Gedenkfeier in voller Länge vor Publikum ausgestrahlt werden, wie die Gedenkstätte am Mittwoch mitteilte. Zentrale Passagen aus den 20 Interviews werden in die zukünftige neue Dauerausstellung einfließen.
Mündlich überlieferte Geschichte als Zeitzeugenschaft habe bis vor kurzem in der Aufarbeitung von Zwangssterilisation und Krankenmord keine Rolle gespielt, sagte Carola Rudnick, Leiterin der Gedenkstätte. Die Hinterbliebenen seien in die Aufarbeitung der Verbrechen nicht einbezogen worden. „Sie wurden bei Ermittlungsverfahren nicht befragt, sie wurden bei Gericht nicht als Zeugen geladen und in der Forschung wurden sie als Zeitzeugen nicht ernst genommen. Niemand interessierte sich jahrzehntelang für das, was diese Menschen zu erzählen hatten.“
Die Lüneburger Gedenkstätte hole dieses Versäumnis seit über zehn Jahren nach und ermuntere Angehörige, ihre Geschichten zu erzählen. Sie seien die indirekten Zeugen dieser NS-Verbrechen. Mittlerweile gebe es mehr als 50 Tondokumente und über 30 Videos.
Die „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg wird den Angaben zufolge bis zum August 2025 im ehemaligen Badehaus und im Wasserturm der Psychiatrischen Klinik Lüneburg für insgesamt rund 1,5 Millionen Euro neu eingerichtet. Dort entsteht ein Dokumentationszentrum mit einer neuen Dauerausstellung. Im Zentrum steht der Mord an Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen sowie an psychisch Erkrankten mit ausländischer Herkunft.