Altbundespräsident Joachim Gauck hat Russland als langfristig „größte und unmittelbarste Bedrohung für unsere Sicherheit“ bezeichnet und eindringlich zu Entschlossenheit gegenüber Kreml-Chef Wladimir Putin aufgefordert. „Frieden hängt nicht allein vom guten Willen ab, er verlangt auch die Bereitschaft, Werte zu verteidigen – wenn nötig, mit militärischer Entschlossenheit“, sagte Gauck am Donnerstagabend in Mönchengladbach, wo er mit dem Benediktpreis geehrt wurde. Seit vielen Jahren agiere Putin in der internationalen Politik mit offener Aggression, neoimperialer Gewalt und hybrider Kriegsführung. Sein Angriffskrieg gegen die Ukraine gelte „auf längere Sicht dem gesamten Westen“.
Der Kreml-Herrscher habe Wirtschaft und Gesellschaft seines Landes ganz auf Krieg ausgerichtet, warnte der evangelische Theologe. In fünf bis acht Jahren dürfte Russland „personell und materiell zu einem Angriff auf die Nato in der Lage sein“. In den kommenden Jahren wachse das Risiko einer militärischen Auseinandersetzung.
Solidarität mit der Ukraine sei daher nicht nur eine moralische Pflicht, sondern eine strategische Notwendigkeit: „Wir brauchen eine Ostpolitik, die die europäische Einheit unseres Militärbündnisses wahrt und den Aggressor durch glaubwürdige Abschreckung von weiteren Angriffen abhält“, forderte der 84-Jährige, der von 2012 bis 2017 Bundespräsident war. Die Ukraine brauche Waffen und Munition sowie Sicherheitsgarantien des Westens für die Zeit nach einem Waffenstillstand oder Friedensschluss: „Nur ein Frieden durch Stärke weist das kriegslüsterne Russland in seine Schranken.“
Putin habe der Wertegemeinschaft für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit offen seine Feindschaft erklärt, sagte Gauck. Bereits jetzt versuche der Kreml, die offenen Gesellschaften des Westens zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Die Mittel seien Spionage und Sabotage, Cyberattacken, Fakenews und Desinformation.
Der frühere Bundespräsident erhielt den vom gleichnamigen Verein vergebenen „Benediktpreis von Mönchengladbach“ für seinen Einsatz für Recht, Freiheit und Demokratie. Die seit 1968 in der Regel alle zwei Jahre vergebene Auszeichnung würdigt „wertorientiertes und vor dem Hintergrund der christlichen-abendländischen Erfahrungen in besonderer Weise herausragendes Handeln“. Gauck spendet das Preisgeld von 5.000 Euro für humanitäre Zwecke an die ukrainische Botschaft.