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Aktivist Tareq Alaows: Massenunterkünfte sind untragbare Situation für Geflüchtete

Der Zeltbrand in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft am 12. März weckte bei Tareq Alaows von Pro Asyl Erinnerungen an den Brand im griechischen Moria. Er wirbt für eine neue Wohnungsbaupolitik.

Tareq Alaows ist flüchtlingspolitischer Sprecher bei Pro Asyl
Tareq Alaows ist flüchtlingspolitischer Sprecher bei Pro AsylJonas Bickmann/Pro Asyl

Der Brand auf dem Gelände des ehemaligen Berliner Flughafens Tegel, in dem über 4000 Geflüchtete untergebracht sind, hat erneut schmerzlich ­gezeigt: Massenunterkünfte sind nicht nur menschenunwürdig, sondern auch lebensgefährlich. Dank des schnellen Eingreifens der Feuerwehr konnte verhindert werden, was bei dem Feuer im Flüchtlingslager Moria im September 2020 nicht gelang – eine Brandkatastrophe. Wie viele Menschen jedoch durch das Feuer (re)traumatisiert wurden, bleibt unklar.

Die Situation ist in vielen EU-Ländern ähnlich: In Griechenland, Italien oder Deutschland werden Geflüchtete in Massenunterkünften zusammengepfercht. Fehlende Privatsphäre, Isolation, kaum Schutz vor Gewalt, Ausbreitung von Infektionen, enorme psychische Belastung und fehlender Zugang zu ­Beratungsstrukturen – die Liste der Nachteile gegenüber dem privaten Wohnen ist lang. Für Kinder und Jugendliche sind sie besonders belastend. Häufig gehen sie monatelang nicht zur Schule, können keine Kontakte knüpfen und nicht die Sprache des Landes lernen, in dem sie leben.

Privates Wohnen kostet weniger

Zudem wird oft ignoriert: Die ­Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ist viel teurer, als die Miete der Menschen in Wohnungen. So kostet das Ankunftszentrum in Tegel den Staat 427 Millionen Euro pro Jahr; je nach Belegung pro Person 5000 bis 7500 Euro im ­Monat. Dies entspricht mehr als dem Mietpreis eines teuren Apartments, selbst dann, wenn man die Zusatzkosten Security und Sozial­arbeit abzieht.

Das stärkste Argument gegen Massenunterkünfte bleibt jedoch die untragbare Situation für die häufig traumatisierten Geflüchteten. Dennoch setzen Landes- und Bundespolitik weiterhin auf dieses Konzept. Zuletzt wurde sogar die Dauer, in der Asylsuchende gezwungen werden, in Aufnahme­einrichtungen zu leben, auf bis zu 18 Monate oder länger ausgedehnt – selbst wenn sie private Wohnmöglichkeiten bei Familie oder Bekannten hätten.

Wohnpflicht in Unterkünften abschaffen

Anstatt immer weiter auf Restriktionen zu setzen, brauchen wir ein Umdenken in Politik und Gesellschaft: Die Wohnpflicht für Geflüchtete in Unterkünften muss abgeschafft werden. Dass dies gut für die Menschen ist und die Strukturen in den Kommunen entlastet, zeigt das Beispiel der Menschen aus der Ukraine, die von Anfang an privat wohnen durften. Ebenso sollte ­dringend für anerkannte Flüchtlinge die absurde Wohnsitzauflage ­gestrichen werden, die sie trotz privaten Wohnungsangebots zwingt, in Massenunterkünften zu leben.

Rauchwolken am Berliner Himmel. Am 12. März kam es zu einem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft.
Rauchwolken am Berliner Himmel. Am 12. März kam es zu einem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft.Imago / Pemax

Der Zugang zu privatem Wohnen muss bundesweit gefördert werden. Es braucht spezialisierte Wohn­beratungsstellen für Geflüchtete, die auch den Vermieter*innen ­beratend zur Seite stehen. Bund und Länder müssen den sozialen Wohnungsbau massiv erweitern und bei Neubauten Kontingente für Geflüchtete und andere Menschen in prekären Lebenssituationen ­garantieren. Auch ein bundesweiter Mietendeckel würde die Unter­bringungsstrukturen wirksam entlasten.

Geflüchtete als gleichberechtigten Teil der Gesellschaft betrachten

Eine neue Wohn- und Wohnungsbaupolitik würde allen Menschen mit geringem oder mittlerem Einkommen entgegenkommen, nicht nur Geflüchteten. Hier braucht es den Willen der Politik und der Gesellschaft, soziale Gruppen nicht gegeneinander auszuspielen, sondern Geflüchtete als gleichberechtigten Teil der Gesellschaft zu betrachten. Die Kirche kann eine wichtige Rolle dabei spielen, eine gesamtgesellschaft­liche Lösung zu finden: Als Ort der Begegnung, der Verständigung und als Gesprächspartnerin für die Politik, um ein Umdenken hin zu einer langfristig sozialen Flüchtlings- und Wohnpolitik zu erwirken.