Virtuelle Werbung bei Sportübertragungen ist im deutschen Fernsehen kein neues Phänomen. Bereits 2005 gab es diese Werbeform beim Pay-TV-Sender Premiere (heute Sky), als er Partien des damaligen Ligapokals der Deutschen Fußball Liga (DFL) zeigte. Was für die DFL vor fast 20 Jahren ein Test war, kommt heute dank verbesserter Technik regelmäßig zum Einsatz.
Auch der europäische Fußballverband UEFA setzt bei der Fußball-Europameisterschaft 2024 in mehreren Ländern auf virtuelle Werbung. Bei dieser Werbeform wird Reklame auf Stadionbanden durch Werbung überblendet, die sich speziell an das TV-Publikum in bestimmten Ländern richtet. Verantwortlich dafür sind die Veranstalter eines Sportevents, die so zusätzliche Werbeeinnahmen erzielen können.
Die Übertragungsrechte an allen 51 EM-Begegnungen hat die UEFA weltweit verkauft, die TV-Bilder lässt sie über Partner produzieren. In drei Ländern erhalten die Inhaber der Medienrechte eine Version der Spielübertragungen, in der die Bandenwerbung virtuell verändert ist, wie die UEFA auf Anfrage des Evangelischen Pressediensts (epd) mitteilt. Diese „Virtual Board Replacement“-Versionen betreffen Deutschland, die USA und China. Das Fernsehpublikum in diesen drei Ländern werde „maßgeschneiderte Werbung auf den Banden sehen“, die auf die jeweilige Zuschauerschaft ausgerichtet sei.
In Deutschland übertragen vier Sender die EM-Partien: das Erste, ZDF, RTL und Magenta TV, das Bezahlangebot der Deutschen Telekom. Sie alle erhalten laut UEFA die für den deutschen Markt vorgesehene „Replacement“-Version. Dadurch wird sich ein kurioser Effekt ergeben: Bei den EM-Übertragungen deutscher Sender wird die im Fernsehen zu sehende Bandenwerbung nicht mit der in den deutschen Stadien übereinstimmen.
Wird die Bandenwerbung virtuell verändert, müssen die Sender dies zu Beginn und am Ende kennzeichnen. So ist es im Medienstaatsvertrag verankert, die Vorschrift gilt bereits seit dem Jahr 2000. Die Sender blenden dann den Hinweis „Die Sendung enthält virtuelle Werbung“ ein.
Festgelegt hat der Gesetzgeber damals neben der Kennzeichnung noch einen zweiten Punkt: Virtuelle Werbung in Sendungen ist nur zulässig, wenn „eine am Ort der Übertragung ohnehin bestehende Werbung ersetzt wird“. Damit wollten die Bundesländer verhindern, dass nicht vorhandene Werbeflächen bei der Übertragung virtuell geschaffen werden.
Die bisherige Kennzeichnung von virtueller Werbung bei Sportübertagungen entspreche den rechtlichen Vorgaben, bestätigt der Medienrechtler Karl-Eberhard Hain. Ob sie für das Fernsehpublikum aber verständlich ist, erscheint dem Professor der Uni Köln zweifelhaft: „Sinnvoll wäre sicherlich die Erläuterung des Begriffs an leicht zugänglicher Stelle“, sagt er dem epd. Damit könnte zum Beispiel das Online-Angebot eines Senders gemeint sein.
Auch bei der Formel 1 und beim Eishockey gibt es virtuelle Werbung schon seit längerer Zeit. Doch nicht immer funktioniert die Technik reibungslos, wie das Fußballspiel zwischen Deutschland und den USA am 14. Oktober 2023 auf RTL zeigte. In den ersten 25 Minuten hatte das Fernsehbild immer wieder Aussetzer, auch der Ton war nicht optimal. Erst nach 25 Minuten ließ sich die Übertragung aus East Hartford einwandfrei verfolgen, weil RTL die Technik abschaltete, mit der im Auftrag des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) die Bandenwerbung im Stadion überblendet werden sollte.
Dadurch sollte etwa Adidas – bis 2026 noch DFB-Sponsor – anstelle von Nike zu sehen sein. Doch die RTL-Zuschauer sahen ab Minute 25 US-Werbung auf den Banden.