Katholische Theologen bemühen sich heute, den Ablass vor allem als ein Angebot der kirchlichen Seelsorge zu sehen, die den Gläubigen auf seinem Weg der Heiligung begleitet und unterstützt. „Der Ablass hat eine seelsorgliche Funktion“, sagt etwa Professor Wolfgang Thönissen, Direktor des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik in Paderborn. Darum sei die Gewährung eines Ablasses auch in die Form eines Gebetes und der Fürbitte gefasst, wie im katholischen Handbuch der Ablässe, dem „Enchiridion indulgentiarum“, verzeichnet.
Den konkreten Ablass, den Gläubige zum Beispiel im aktuellen Heiligen Jahr durch das Durchschreiten einer Heiligen Pforte erlangen können, aber ebenso gültig beim Anschauen des päpstlichen Weihnachtssegens „Urbi et Orbi“ im Fernsehen, sieht er als eine Zeichenhandlung, die den Menschen das Verständnis der göttlichen Gnade erleichtert – wie ein Wechsel, der im Augenblick des Todes eingelöst werden kann. „So wird deutlicher: Du bekommst etwas geschenkt“, meint Thönissen. „Es ist wie bei einem Kind, das Geburtstag hat: Die Gabe ist das Zeichen für die Liebe, die dahintersteht – und die gibt es ohne Bezahlung.“
Die Belastung durch den Begriff des Ablasses sieht der katholische Theologe als eine Schwierigkeit. „Ich wünschte mir, dass wir in der neuen Diskussion das alte Wort hinter zu uns lassen – aber nicht die Sache, um die es geht“, sagt er. „Es kommt darauf an, zu verstehen: Ich lebe aus der Vergebung.“ Die Möglichkeit, neu anzufangen, die im Sakrament der Beichte gewährt wird, sei eine besondere Form der Freiheit, mit der der Gläubige erst lernen müsse umzugehen. Schritte dazu seien etwa das öffentliche Bekennen der Schuld und die tätige Reue. „Vielleicht müssen wir dafür einen neuen Begriff finden – den ich aber nicht habe“, so Thönissen. leg
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Ablass heute: „Die Gabe ist das Zeichen für die Liebe“
