Der Charakter eines Menschen ist so einzigartig wie ein Fingerabdruck. Im Gegensatz zu den Papillarleisten auf der Unterseite der Fingerkuppen sind Charaktereigenschaften jedoch genetisch geprägt. Zugleich können sie sich aber im Lauf des Lebens ändern, beispielsweise durch Umwelteinflüsse. Mit Charakterbildung und deren Einfluss auf die menschliche Persönlichkeit befasst sich die 3sat-Doku “Die Charakterfrage: Freie Wahl oder Schicksal?” der Reihe “WissenHoch2” am Donnerstag, 13. Juni, um 20.15 Uhr.
Die Filmemacherin Dunja Keuper bezeichnet Liebe zum Lernen neben Neugier und Tatendrang als ihre wichtigen Charaktereigenschaften. Vor 18 Jahren hat sie als Co-Autorin ihre erste Dokumentation produziert und zur Vorbereitung auf diesen Film selbst einen Charakterstärken-Test absolviert. Vor laufender Kamera führen der buddhistische Mönch Tenzin Peljor und die Dancehall-Künstlerin Carmel Zoum solch einen Test durch. Beide Berliner bekommen ein überraschendes Ergebnis.
Charakter-Test bei Zwillingen
Keuper trifft sich auch mit Zwillingsforscher Frank Spinath von der Universität des Saarlands in Saarbrücken. Er unterscheidet zwei Arten von Umwelt, die Einfluss auf die unterschiedliche Charakter-Ausprägung haben: die sogenannte geteilte Umwelt, die gemeinsam erlebt wird, und die nicht-geteilte-Umwelt, zu der individuelle Freunde oder Lebensereignisse gehören.
Zu Spinaths Probanden zählen die eineiigen Zwillinge Assan und Ousainou Hansen. Beide gehören der deutschen Box-Nationalmannschaft an und wollen sich für die Olympischen Spiele in Paris qualifizieren. Dieses Ziel haben sie beide, zugleich verfügen sie über sehr unterschiedliche Charaktere. Er habe sich von der Idee verabschiedet, “dass wir Unterschiede zwischen Menschen weghaben wollen”, sagt Spinath. Vielmehr gelte es, respektvoll mit ihnen umzugehen.
Positive Psychologie
Die US-Psychologen Martin Seligman und Christopher Peterson entwickelten vor 20 Jahren einen Test, der die Charakterstärken einer Person anhand von 230 Fragen identifiziert. Aus den Antworten lässt sich ableiten, was den Menschen ausmacht.
Dieses Test-Instrument nutzt Willibald Ruch von der Universität Zürich für ein vergleichsweise neues Forschungsgebiet: die Positive Psychologie. Der Experte für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik bekräftigt, dass Menschen, die ihre Charakterstärken wie Neugier, Bindungsfähigkeit, Ausdauer oder Dankbarkeit kennen und diese ausleben, mehr Lebenszufriedenheit aufweisen als andere, die versuchen, ihre Schwächen zu beseitigen.
Beantwortet werden in der interessanten Dokumentation die Fragen, wie sich Charakter bildet, welche Rolle Genetik und Umfeld spielen und, ob Persönlichkeitseigenschaften veränderbar sind. Weil Hoffnung als Eigenart wichtig ist, empfiehlt Experte Ruch zum Ende, das Gute zu kultivieren – und das Nichtperfekte zu akzeptieren.
3sat zeigt Diskussion
Dieser Gedanke ist auch Filmemacherin Keuper wichtig, denn sie möchte in ihrem Beitrag vermitteln: “Es ist gut, die eigenen Stärken zu kennen und das Leben danach auszurichten. Es ist aber auch völlig okay, dass es Unterschiede zwischen Menschen gibt, wir eben nicht alle perfekt und selbstoptimiert sind”. Denn sonst, so Keuper, “wäre das Leben auch nur halb so spannend”.
Nachdem Keupers Dokumentation relevante wissenschaftliche Bereiche des Themas beleuchtet hat, diskutiert Gert Scobel im Anschluss um 21.00 Uhr das Thema mit seinen Gästen aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen.