In Matara in Sri Lanka ist eine Marienstatue zum Zeichen der Hoffnung geworden. Sie überstand den Tsunami am 26. Dezember 2004 fast unbeschadet. 20 Jahre später kommen die Erinnerungen an die Katastrophe wieder hoch.
Es geschah ausgerechnet während der Kommunion am zweiten Weihnachtsfeiertag. In Sri Lanka donnerte der Tsunami in das Gotteshaus “Our Lady of Matara”. Die katholische Kirche liegt in der Stadt Matara im äußersten Süden des Landes und war der riesigen Welle schutzlos ausgeliefert.
Trotzdem hatten die meisten Gottesdienstbesucher und der damalige Gemeindepfarrer Charles Hewawasam Glück. Sie konnten sich in letzter Minute in den Rohbau des benachbarten Wohnheims retten. Allein in der Diözese Galle, in der Matara liegt, starben an diesem Tag 7.000 Menschen. Die Bilanz für ganz Sri Lanka war verheerend: mehr als 30.000 Menschen starben, mehr als 500.000 Personen wurden obdachlos. Zahlen über beschädigte Häuser variieren stark. Die Weltbank spricht von 110.000, von denen 70.000 komplett zerstört wurden.
Insgesamt – neben Sri Lanka waren Regionen in Indien, Thailand und im besonderen Maße Aceh in Indonesien betroffen – ist die Rede von mehr als 230.000 Todesopfern; 1,7 Millionen Menschen verloren ihr Zuhause. Auch zahlreiche Touristen, die gerade im Weihnachtsurlaub waren, starben.
Für Sri Lanka schätzte drei Wochen nach dem 26. Dezember die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, dass rund 19.000 Fischerboote zerstört wurden. Vollständig zerstört wurden außerdem zehn der zwölf wichtigsten Fischereihäfen einschließlich ihrer Infrastruktur wie Eisfabriken, Kühlräumen und Werkstätten. Katastrophal für den Inselstaat: Bis heute ist die Fischerei eine Schlüsselindustrie.
Auch 20 Jahre nach der Katastrophe sind viele Überlebende traumatisiert: “Ich habe Angst vor Geräuschen, dem Meer und Booten”, sagt Pfarrer Hewawasam telefonisch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Heute ist er Pastor der katholischen Kirche “National Shrine of Christ the Healer” in Weligama; der Ort liegt keine 20 Kilometer von Matara entfernt. “Der Tsunami ist nicht vergessen, aber im Leben der Menschen auch kein großes Thema mehr”, berichtet der 66-Jährige und fügt hinzu: “Zuviel ist seitdem bei uns passiert.”
Denn Sri Lanka erlebte nicht nur die Flutwelle, sondern breits seit 1983 einen bewaffneten Konflikt. Unter anderem kämpfte die Rebellenarmee Tamilische Tiger für einen eigenen Staat, der vor allem Küstengebiete im Norden und Osten umfassen sollte. Im Mai 2009 wurde sie vernichtend geschlagen. In den 26 Jahren sollen bis zu 100.000 Menschen gestorben sein.
Später erschütterten Islamisten das Land: 2019 starben bei Anschlägen auf drei katholische Kirchen und drei Hotels in Colombo mehr als 260 Menschen. Es folgten die Corona-Pandemie, 2023 der Staatsbankrott sowie Inflation, monatelange massive Versorgungsengpässe und in Folge strenge Sparmaßnahmen des Staates als Bedingung für die Finanzhilfen des Internationalen Währungsfonds.
Dass im mehrheitlich buddhistischen Sri Lanka Traumata nach dem Tsunami gut bewältigt wurden, liegt laut Charini D. Gunaratne auch an intakter Familienstrukturen und einem unterstützenden Umfeld. “Religiöse und spirituelle Überzeugungen waren eine weitere häufige Quelle der Bewältigung”, schrieb die Psychologin an der australischen Deakin Universität in einer im Jahr 2021 im Wissenschaftsmagazin “Science Direct” veröffentlichten Studie zu den langfristigen Auswirkungen.
Gezeigt hat die Katastrophe auch: Die internationale Hilfsbereitschaft war überwältigend. “Für den Wiederaufbau als auch für psycho-soziale Hilfe wurden wir in Matara von der Katholischen Universität Mailand und SOS Malta unterstützt”, erinnert sich Hewawasam.
Auch in Deutschland wollten zahlreiche Menschen die Opfer unterstützen. Neben bundesweiten Kampagnen – Caritas international mit Sitz in Freiburg stellte etwa für 163 Projekte 7,5 Millionen Euro Soforthilfe und 49 Millionen Euro für Wiederaufbau zur Verfügung – riefen zahlreiche Kommunen Initiativen ins Leben. Die Seemannsschule in Galle wurde beispielsweise mithilfe einer Spendenaktion der “Nordwestzeitung” mit Sitz in Oldenburg wieder aufgebaut. 250.000 Euro kamen zusammen.
Dennoch kommen nun die Erinnerungen zurück. In den betroffenen Regionen sind für den zweiten Weihnachtsfeiertag Gedenkverstaltungen geplant. In Matara spielt dabei eine mehr als 400 Jahre alte Madonnenstatue eine zentrale Rolle. Das Wasser riss die Madonna in den Ozean. Drei Tage später aber fand ein Fischer die Statue fast unbeschädigt nur wenige hundert Meter entfernt am Strand. “In der Stunde der Not ist die Mutter Gottes bei den Menschen geblieben”, sagte Pfarrer Hewawasam im Dezember 2005.
Die Gefahr für einen weiteren Tsunami ist laut Experten in Sri Lanka gering. Die akute und unmittelbare Bedrohung der Lebensgrundlagen der Menschen sieht die Weltbank aber in extremer werdenden Taifunen und Veränderungen beim Monsunregen als Folge des Klimawandels. Besonders betroffen seien die Küsten, an denen 33 Prozent der rund 22 Millionen Einwohner des Inselstaates leben.