Das Modell des Atomkraftwerks sieht sehr adrett aus. Blankweiße Gebäudeteile, eine aufgeklappte Reaktorkuppel. Sie gibt den Blick frei auf den leuchtend roten Einsatz der Brennstäbe in einer blauen Kammer. Das hübsche Modell ist nach den Bauzeichnungen von Loriot gebaut, die im Caricatura-Museum in Frankfurt neben dem Modell hängen. In dem Sketch des Humoristen „Weihnachten bei Hoppenstedts“ macht die Verkäuferin alias Evelyn Hamann den Opa alias Vicco von Bülow mit diesem Weihnachtsgeschenk für das Enkelkind glücklich. „Schau mal Dickie, wir bauen uns ein Atomkraftwerk“, erklärt der Opa ihm im Sketch begeistert. „Wenn wir was falsch gemacht haben, dann soll es jetzt Puff machen.“
Der groteske und zugleich feinsinnig vorgetragene Humor war von Bülows Markenzeichen als Loriot. Ihm widmet das Museum für Komische Kunst zum kommenden 100. Geburtstag die bisher umfassendste Ausstellung seines Lebenswerks. „Er war und ist unsere größte Humorinstanz“, sagt der Leiter Achim Frenz. Loriot zeichne seine einzigartige Präsenz, der lustvolle Umgang mit Sprache, das zeichnerische Handwerk und die groteske Komik aus. Die Schau „Ach was. Loriot zum Hundertsten“ ist vom 28. September bis 25. Februar 2024 zu sehen.
Das gesamte Museum leergeräumt
Die Ausstellungsmacher haben das gesamte Museum leergeräumt und 705 Objekte versammelt, wie Kurator Thomas Kronenberg erläutert. Darunter sind Zeichnungen, Cartoons, Trickfilme, Fotografien, Drehbuchseiten, Bühnenbildentwürfe oder Ausschnitte aus den Fernseh- und Kinofilmen zu sehen.
In seinen Cartoons mit den unvergesslichen Knollennasenfiguren gibt Loriot hilfreiche Ratschläge für schwierige Lebenssituationen. Wenn etwa im Restaurant die Tochter vom Tisch abgewandt auf dem Stuhl lümmelt, ist es einfühlsam, wenn die Eltern die Füße auf die Tischdecke legen und mit den Stühlen schaukeln. So stärken sie ihr „mit dem Gefühl familiärer Zusammengehörigkeit seelisch den Rücken“, weiß Loriot.
Der sprechende Hund Wum und Elefant Wendelin
Natürlich sind auch die Zeichnungen zu Trickfilmen zu sehen wie für „Herren im Bad“ („Die Ente bleibt draußen!“), daneben der handschriftliche Ablauf des Dialogs und die getippte Dialogregie. Plakate präsentieren stolz die Fernseh-Cartoon-Stars, den sprechenden Hund Wum und den Elefanten Wendelin. Fotos rufen die Szenen der gespielten Sketche Loriots mit Evelyn Hamann in Erinnerung, so „Die Nudel“ („Sagen Sie nichts!“).
Eine Hörstation führt die Rednerkunst Loriots vor. In einer Lobrede auf die Berliner Tageszeitung „B.Z.“ erklärte er, dass die laut ihrem Untertitel „größte Zeitung Berlins“ auf dem aufgeschlagenen Blatt tatsächlich 80 Goldhamstern Platz biete, „sofern die Tiere sich ruhig verhalten“.
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Als Opernliebhaber inszenierte Loriot etwa „Martha“ an der Staatsoper Stuttgart. In der Schau sind seine Kostümzeichnungen, Bühnenbilder, die Bühnenmodelle und Fotos von Szenen der Aufführung zu sehen. Loriots Langfilme „Ödipussi“ und „Pappa Ante Portas“ können anhand von Fotografien, den Dialogen und der Szenenübersicht nachvollzogen werden, bevor Ausschnitte im provisorischen Kinoraum betrachtet werden.
Dem Publikum das Lachen über sich selbst gelehrt
Loriot habe sich für das Alltagsleben und das Familienleben interessiert, erklärt Frenz. „Sein Humor zielte auf das Streben nach Perfektion, das im Chaos endet, auf das absurd-komische Scheitern zwischenmenschlicher Kommunikation.“ Er habe damit das Publikum das Lachen über sich selbst gelehrt. „Wenn etwa an Weihnachten alles perfekt sein soll und nichts gelingt, erinnert man sich an Familie Hoppenstedt und lacht befreit auf.“
Die chronologisch aufgebaute Ausstellung zeigt nicht nur Bekanntes, sondern auch unbekannte Raritäten. Darunter sind Porträtzeichnungen des 20-jährigen Soldaten aus dem Krieg und die Werbegrafiken zu Beginn der Berufslaufbahn. Die Schau führt bis zu den spätesten Werken, den grotesken Gemälden „Nachtschattengewächse“, durch das gesamte Schaffen des Künstlers.
Loriot, bürgerlich Bernhard-Victor Christoph-Carl „Vicco“ von Bülow, wurde am 12. November 1923 in Brandenburg an der Havel geboren. Er studierte von 1947 bis 1949 Malerei und Grafik an der Kunstakademie Hamburg und arbeitete zunächst als Werbegestalter. 1950 begann seine Karriere der komischen Kunst mit den ersten veröffentlichten Cartoons. Er starb am 22. August 2011 in Münsing am Starnberger See. Beigesetzt wurde er auf dem Berliner Waldfriedhof an der Heerstraße. Der Künstlername Loriot ist das französische Wort für Pirol. Der Vogel ist das Wappentier der Familie von Bülow.