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Zwei Kirchen brauchen ein neues Oberhaupt

Der Papst tot, der Erzbischof von Canterbury zurückgetreten: Zum ersten Mal seit 334 Jahren stehen zwei christliche Kirchen ohne Führung da.

Die britischen Medien reagierten schnell. Kaum war der Tod von Papst Franziskus am Ostermontag bekannt geworden, rechnete jemand nach: Wann war zuletzt sowohl das Papsttum als auch das Amt des Erzbischofs von Canterbury gleichzeitig vakant? Zuletzt war das im Jahr 1691 der Fall.

Damals starb Papst Alexander VIII. am 1. Februar. Sein Nachfolger, Papst Innozenz XII., wurde erst am 12. Juli desselben Jahres gewählt. Im selben Zeitraum war auch der Sitz des Erzbischofs von Canterbury vakant: William Sancroft hatte bereits am 1. Februar 1690 sein Amt niedergelegt, da er sich weigerte, dem neuen protestantischen König Wilhelm III. und dessen Frau Maria II. die Treue zu schwören. Aufgrund politischer Spannungen dauerte es bis zum 31. Mai 1691, bis John Tillotson zum neuen Erzbischof geweiht wurde.

Tatsächlich ist diese gleichzeitige Vakanz ein äußerst seltenes Ereignis. Das Erzbistum Canterbury ist seit dem 7. Januar dieses Jahres unbesetzt, nachdem der bisherige Amtsinhaber, Justin Welby, zurückgetreten war – beide führten ihre Kirchen über einen ähnlich langen Zeitraum. Welby war am 4. Februar 2013 offiziell in sein Amt eingeführt worden, während Papst Franziskus am 13. März desselben Jahres gewählt wurde.

Welby zeigte sich tief betroffen vom Tod des Papstes: “Zusammen mit unseren römisch-katholischen Brüdern und Schwestern – und mit der globalen Kirche und vielen anderen auf der ganzen Welt – bin ich von einem großen Gefühl des Verlustes erfüllt.”

In der römisch-katholischen Kirche gilt die Zeit zwischen dem Tod eines Papstes und der Wahl seines Nachfolgers als Phase der Unsicherheit, die möglichst kurz gehalten werden soll. Die Regeln hierfür sind in der Apostolischen Konstitution Universi dominici gregis geregelt, die Papst Johannes Paul II. 1996 erließ. Demnach tritt das Konklave frühestens 15, spätestens 20 Tage nach dem Tod des Papstes zusammen.

Im 20. Jahrhundert dauerten die Konklave meist nur wenige Tage – zwischen zwei und fünf. Die Konklave von 2005 und 2013, bei denen Benedikt XVI. und Papst Franziskus gewählt wurden, dauerten sogar nur zwei Tage. Seit 1831 hat kein Konklave länger als sieben Tage gedauert. In der Regel steht somit etwa drei, allerhöchstens vier Wochen nach dem Tod eines Papstes ein Nachfolger fest.

Ganz anders ist der Ablauf in der anglikanischen Kirche. Beobachter gehen davon aus, dass ein Nachfolger für Justin Welby frühestens im Oktober benannt wird.

Die Crown Nominations Commission, zuständig für die Auswahl des neuen Erzbischofs, hat ihre Arbeit aufgenommen. Geleitet wird das Gremium von Jonathan Douglas Evans, dem ehemaligen Leiter des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5. Die Kommission plant Sitzungen im Mai, Juli und September, um geeignete Kandidaten zu bestimmen und mit ihnen Gespräche zu führen.

Am Ende des Prozesses schlägt die Kommission dem Premierminister einen Kandidaten vor – sowie einen Ersatzkandidaten. Der Premierminister prüft, ob der vorgeschlagene Kandidat bereit ist, das Amt zu übernehmen. Laut Gesetzen aus dem 19. Jahrhundert darf ein katholischer oder jüdischer Premierminister den König in Kirchenfragen nicht beraten. Bei Keir Starmer entfällt diese Einschränkung – er bezeichnet sich selbst als Atheist.

Nach Zustimmung durch den König, der als weltliches Oberhaupt der Kirche von England fungiert, kann die Ernennung öffentlich gemacht werden. Den formalen Schlusspunkt setzt dann das Kapitel der Kathedrale von Canterbury: Die dort versammelten Kanoniker wählen den neuen Erzbischof offiziell. Dieses Datum markiert den Amtsantritt. Bis dahin kann es noch dauern. Der nächste Papst wird dann seine Glückwünsche nach Canterbury übermitteln.