“Wenn ich auf der Bahre hingebracht werde” – Kardinal Reinhard Marx ist einer der Papstwähler. Zuletzt war es etwas ruhig um den Münchner Erzbischof, nach dem Tod von Papst Franziskus ist er omnipräsent.
Erst im Bayerischen Fernsehen, dann beim ZDF im heute-journal, später noch bei den Tagesthemen im Ersten: Am Abend nach dem überraschenden Tod von Papst Franziskus war der Münchner Kardinal Reinhard Marx mit der gefragteste Interviewpartner im deutschen TV. Dabei wirkte der 71-Jährige nach längerer Sendepause und mehrwöchiger öffentlicher Abstinenz wieder voller Tatendrang. Fast wie früher, als er noch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und einer der engsten Berater des verstorbenen Kirchenoberhaupts war.
Am Dienstagmorgen war Marx bereits in Rom präsent. Obwohl er selbst gesundheitlich angeschlagen ist, gilt es für ihn, in dieser auch kirchenpolitisch äußerst sensiblen Phase alle Kräfte zu mobilisieren. Anfang März hatte sich der Kardinal die rechte Schulter gebrochen. Franziskus rang da bereits im Gemelli-Krankenhaus mit dem Tod. Der Münchner Erzbischof rechnete damals schon damit, dass der Papst eventuell nicht mehr lange leben würde – und dachte natürlich auch darüber nach, was das für ihn bedeuten würde.
“Also wenn jetzt ein Konklave ist, dann müsst ihr mich irgendwie zusammenzimmern. Da muss ich da sein – und wenn ich auf der Bahre hingebracht werde”, sagte Marx zu seinen Operateuren im Klinikum Großhadern, wie er unlängst beim BR-Sonntagsstammtisch verriet. Die Bahre hat er für den Transport über die Alpen nun doch nicht gebraucht.
Eines hat Marx – wie auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki (68) – den meisten anderen Wahlmännern voraus. Erfahrung mit dem, was im Konklave passiert. Auf 108 von insgesamt 135 wahlberechtigten Purpurträgern trifft das nicht zu. Sie wurden erst von Franziskus ernannt.
Freilich ist dieser Vorsprung ein kleiner. Die Wahl von Jorge Mario Bergoglio 2013 war nach fünf Abstimmungen gelaufen. Diesmal könnte es wesentlich länger dauern, vermutet Marx. Denn: Die meisten Kardinäle kennen einander nicht. Dass der verstorbene Papst nicht zu häufigeren Zusammenkünften nach Rom eingeladen habe, um das zu ändern, zählt zu den wenigen kritischen Bemerkungen, die von Marx über Franziskus öffentlich bekannt sind.
Wie so ein Konklave abläuft, davon haben außer Vatikanexperten inzwischen auch Kinogänger durch den gleichnamigen Spielfilm des deutschen Regisseurs Edward Berger eine genauere Vorstellung. Marx hat ihn auch gesehen und war begeistert. Es handle sich zwar um ein fiktives Geschehen, aber letztlich spiele der Film durch, was passieren könne, wenn eine Papstwahl einmal nicht schon nach zwei Tagen erledigt sei.
“Dann sieht das vielleicht so aus wie in dem Film, dass einzelne Gruppen sagen: Wo wollen wir eigentlich hin, wer steht für was? Wen müssen wir verhindern? Wer hat eine Intrige in Gang gebracht?”, so Marx.
Bei der echten Papstwahl sollen die Kardinäle – streng vom Rest der Welt abgeschirmt – die Regie dem Heiligen Geist überlassen. Der Münchner Erzbischof ist aber ein politischer Realist, der mit Einflussversuchen von außen rechnet. Hier müsse gelten “Aufgepasst!”, sagte er Anfang April in einem Interview der “Zeit”-Beilage “Christ und Welt”. Er sei überzeugt, dass insbesondere “Rechtsausleger” entsprechende Überlegungen anstellten. Von Absprachen in den Reihen der Papstwähler hat der Kardinal nach eigenem Bekunden bisher nichts mitbekommen. “Jedenfalls bin ich nicht beteiligt”, stellt er klar.
Im deutschen Fernsehen umriss der Münchner aber das Anforderungsprofil, das der Franziskus-Nachfolger aus seiner Sicht erfüllen muss: “Wir brauchen keinen Funktionär, wir brauchen keinen Manager, wir brauchen jemanden, der das, was den Kern des christlichen Glaubens ausmacht, auch wirklich zur Sprache bringen kann – und zwar weltweit.”