Berühmt ist der Schwarzwald für Kirschtorte, Bollenhut und die Kuckucksuhr. Auch wenn sie ein weltweiter Exportschlager ist und für traditionelle Handwerkskunst steht, erfunden wurde die Uhr mit dem markanten Vogelruf dort nicht. Der Hinweis „Made in China“, der auf vielen Billigkopien steht, hilft ebenfalls nicht weiter.
Wie ein Kuckucksruf mit zwei Pfeifen erzeugt wird, hatte der Mechaniker Salomon de Caus aus der Normandie schon 1615 beschrieben. Wer vor etwa 400 Jahren dann die Idee zum Bau einer Uhr hatte, bei der ein Kuckuck die Stunde verkündet, ist nicht eindeutig belegt. Sicher ist jedoch, dass sie nicht aus dem Schwarzwald stammt. Es könnte ein Uhrmacher in Böhmen oder Kaschuben im heutigen Polen gewesen sein, sagt Johannes Graf, stellvertretender Museumsleiter des Deutschen Uhrenmuseums in Furtwangen im Schwarzwald.
Wer seine Kuckucksuhr in der Nacht zum Sonntag auf die mitteleuropäische Sommerzeit umstellen will, muss „den Zeiger drehen bis zur nächsten vollen Stunde, dann ‘kuckucken’ lassen, danach bis zur passenden Minute weiterdrehen“, erklärt die Pressereferentin des Uhrenmuseums, Eva Renz. Beim Zurückstellen im Oktober laute das sichere Verfahren dann: Mehr als eine Stunde die Uhr anhalten, dann wie im Frühjahr neu einstellen.
Im Uhrenmuseum Furtwangen gibt es allein 120 Kuckucksuhren. Dazu gehört eine Uhr im Häkeldesign, in einer anderen zeigt statt des Vogels ein grölender Homer Simpson von der Kult-Zeichentrickserie „Die Simpsons“ die Zeit an. Verziert ist sie mit Bierkrügen statt Tannenzapfen. Das aufwendige Umstellen der Uhren fällt in diesem Jahr im Museum aus: Wegen Renovierungsarbeiten ist es bis 2026 für die Öffentlichkeit geschlossen, die Uhren sind fest verpackt.
Eine Uhr mit Kuckucksschrei bereicherte bereits 1619 die Sammlung des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen in Dresden, wie Johannes Graf berichtet. Der Augsburger Patrizier Philipp Hainhofer beschrieb eine Uhr mit beweglichem Vogel, der zu jeder Viertelstunde rufe und die Stunden mit dem Flügelschlag verkünde: „darinn der guguk, mit seinem schnabel vnd geschreÿ die viertelstunden andeutet, die stunden mit den flüglen schleget“.
Belegt sei, dass eine Berliner Kuckucksuhr Ende des 17. Jahrhundert in Kaschuben westlich von Danzig gefertigt wurde, erklärt Graf. Im Schwarzwald dagegen wurde die hölzerne Kuckucksuhr erst in den 1730er Jahren gebaut. Dort war die Holzuhrmacherei dann aber sehr erfolgreich. Den Uhrmachern gelang es zwischen etwa 1750 und 1780, die Herstellung entscheidend zu vereinfachen. Im 19. Jahrhundert waren die Schwarzwälder Exemplare sogar die billigsten Wanduhren weltweit, erzählt Graf. Rund 30 Millionen wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert produziert. Allerdings war nur jede hundertste von ihnen eine Kuckucksuhr.
Die heutige „Bahnhäusle“-Form entwarf 1850 der Karlsruher Architekten Friedrich Eisenlohr (1804-1852). Seine „Wanduhr mit in Epheu-Laubwerk verziertem Schild“ bildet die Fassade eines Bahnwärterhäuschens nach, ergänzt durch ein Zifferblatt.
Damals wurden die Uhren auch in die Schweiz exportiert und dort an Touristen verkauft, etwa an den US-Schriftsteller Mark Twain. Er erwarb ein Exemplar nur, um einen Widersacher zu ärgern, schrieb er in seinem Buch „Bummel durch Europa“ (1880). Denn nichts sei alberner und nervtötender als der Ruf einer Kuckucksuhr.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie aber ein beliebtes Souvenir vor allem bei US-Soldaten und Touristen. Seit einigen Jahren ist „Schwarzwälder Kuckucksuhr“ eine durch die Europäische Union geschützte regionale Qualitätsbezeichnung.
Moderne Designs und poppige Farben verhalfen dem Zeitmesser in den 1990er Jahren zur Renaissance. Bunte, im Graffiti-Stil bemalte Uhren des Offenburger Street-Art-Künstlers Stefan Strumbel schafften es sogar in die „New York Times“, weil er Karl Lagerfeld zum 75. Geburtstag ein Exemplar überreichte. Statt Hirschgeweih und Tannenzapfen sind Strumbels Werke provokativ mit Sturmgewehren, Handgranaten sowie einem Schädel mit gekreuzten Knochen verziert.
Der berühmte Zeitmesser ist auch für Rekorde gut: Die größte Kuckucksuhr steht im Schwarzwaldort Schonach bei Triberg. Allein der Kuckuck der begehbaren Uhr ist 4,5 Meter groß und wiegt 150 Kilogramm. 750 Kuckucksuhren haben die britischen Brüder Roman und Maz Piekarski zusammengetragen. Ihre angeblich weltgrößte Sammlung soll bald im Irish Museum of Time (Waterford) zu sehen sein.