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Zum 80. Geburtstag der Fußball-Legende Josef Maier

Der deutsche “Torwart des Jahrhunderts” hatte viele Qualitäten. Von 13 Endspielen verlor Sepp Maier nur eins. Aber er war nicht nur eine Krake im Kasten, sondern auch ein Komödiant erster Klasse.

Im Weltsport wurden schon viele vermeintliche Gewissheiten pulverisiert. Etwa die des englischen Altinternationalen Gary Lineker: “Fußball ist ein einfaches Spiel. 22 Männer jagen 90 Minuten einen Ball und am Ende gewinnen immer die Deutschen.” Angesichts der aktuellen Krise des DFB-Teams mag den heimischen Fan ein Grundsatz trösten, der sich eisern hält: Deutschland ist Torwartland. Wenigstens auf dem Posten zwischen den Pfosten gibt es seit Jahrzehnten keine Besetzungsprobleme.

Angefangen hat diese Konjunktur mit Josef Dieter Maier, genannt die “Katze von Anzing” oder einfach nur “der Sepp”. Am 28. Februar wird der ehemalige Spieler und Trainer 80 Jahre alt. Nur wenige Monate später wartet schon der nächste Grund zum Feiern: 50 Jahre zweiter deutscher WM-Titel. Im Münchner Olympiastadion, seinem Wohnzimmer, hielt der Schlussmann den knappen Sieg gegen spielerisch überlegene Niederländer fest.

Sepp Maier entstammt einem anderen Fußball-Zeitalter. Der Handschuh als gummiertes Hilfsmittel zur Ballabwehr hatte sich in seiner Zunft noch nicht durchgesetzt. Wenn es nass war, trug man welche aus Wolle. Auch schrille neonfarbene Trikots gab es keine. Seinen Beruf verrichtete der Niederbayer in schlichtem Schwarz, in Hellblau oder Ockergelb. Mit Spitzkragen. Bei Sauwetter zog er eine karierte Schirmmütze ins Gesicht.

17 Jahre, von 1962 bis 1979, spielte der früh vom Knipser zum Keeper Umgeschulte für den FC Bayern. Zumindest anfangs war der TSV 1860 München noch ein ernstzunehmender Stadtrivale. Mit dem kaum minder legendären Petar Radenkovic im Tor. Als sich der Löwe mit der Zeile “Bin i Radi, bin i König” 1965 in die Hitparade trällerte, konterte sein Kollege von den Bayern spontan mit dem Vers: “Bin i Radi, bin i Depp, König is da Maier Sepp.” Am Ende der Saison waren trotzdem die Sechzger Deutscher Meister.

National und international gewann Maier alles, was es zu gewinnen gab. Seine 442 Erstligaspiele ohne Unterbrechung sind immer noch Weltrekord. Ein Vereinswechsel für ein lukrativeres Gehalt kam nicht in Frage. Auch nicht nach einer Millionen-Offerte von Cosmos New York, wo Kumpel Franz Beckenbauer sich seine ausklingende Karriere vergolden ließ.

Seine allgemeine Beliebtheit verdankt Sepp Maier nicht nur sportlichen Ruhmestaten, sondern auch seinem Schalk, den er stets im Nacken trug. Zur Belustigung des Publikums machte sich Maier oft selbst zum Narren. 1976 hechtete er bei einem Bundesligaspiel einer Ente hinterher, die sich in seiner Nähe auf dem Rasen herumtrieb. Eine Parade für die Ewigkeit. Auf anderen Bühnen brillierte er als Imitator des bayerischen Nationalkomikers Karl Valentin: mit Nickelbrille, Melone und zu kurzem schwarzen Anzug. Dass sein heimlicher Berufswunsch Schauspieler war, glaubt man ihm gern.

Ein Problem auf seiner angestammten Position wiederholt sich heute, wenn an Manuel Neuer trotz dessen vorgerückten Alters sowohl beim FC Bayern wie der Nationalelf kein Vorbeikommen möglich scheint. Lange musste schon Maiers Ersatzmann Walter Junghans auf seine Chance warten. Was der Etablierte mit dem Spruch kommentierte: “Der Junghans wird bei uns noch zum Althans.”

Ein schwerer Autounfall beendete im Sommer 1979 jäh Maiers Profilaufbahn im Alter von 35 Jahren. Zunächst nicht erkannte innere Verletzungen hätten ihn um ein Haar das Leben gekostet.

Kurz darauf veröffentlichte der “Ballfänger und Gaudibursch der Nation”, wie er sein Image in Worte fasste, eine Autobiografie mit dem Titel “Ich bin doch kein Tor”. Nur Franz Beckenbauer, so schrieb er darin, habe den ernsten Hintergrund seiner Heiterkeit erkannt. Er habe sie gebraucht, um damit persönliche Schwierigkeiten zu überwinden.

Als sein “lieber, alter Freund”, der “Kaiser”, am 7. Januar starb, bat ihn “der Sepp” in seinem Nachruf: “Dass Du bitte oben im Himmel auf mich wartest.” Der Franz müsse dafür aber etwas Geduld aufbringen: “Ein paar Jahre musst’ schon noch warten.”