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Zukunft von Ex-Präsidentin Kirchner in Argentinien ungewiss

Die argentinische Justiz bestätigt ein harten Korruptionsurteil gegen die ehemalige Präsidentin. Der Fall schlägt hohe Wellen – politisch und emotional.

Das Korruptionsurteil gegen Argentiniens Ex-Präsidenten Cristina Kirchner hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Die New York Times schreibt: “Eine politische Titanin Argentiniens wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt”, die spanische “El Pais” kommentiert: “Urteil gegen Kirchner zerreißt die argentinische Politik”. Gemeint ist damit die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Argentinien, dass Kirchner – Präsidenten von 2007 bis 2015 und Vizepräsidentin zwischen 2019 und 2023 – künftig nicht mehr für ein politisches Amt kandidieren darf und sechs Jahre in Haft soll.

Begonnen hatten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft schon weit vor dem Amtsantritt des amtierenden libertären Präsidenten Javier Milei, der damals vor allem als krawalliger Talkshow-Gast bekannt war. Die Staatsanwaltschaft sprach von einem riesigen Korruptionsnetzwerk mit dem Ziel, öffentliche Gelder bei Bauvorhaben abzugreifen. Kirchner habe diesem vorgestanden. Sie weist die Vorwürfe zurück.

Wenn prominente Politiker vor Gericht stehen, spaltet das die Gesellschaft schnell. Anhänger von Kirchner sprechen von politischer Verfolgung. Prominente lateinamerikanische Politiker wie die Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva (Brasilien), Gabriel Boric (Chile), Gustavo Petro (Kolumbien) oder Claudia Sheinbaum (Mexiko) solidarisieren sich mit der 72-Jährigen. Auch die Linksdiktaturen Kuba und Venezuela reihen sich die Stimmen der Kritiker ein. “Gerechtigkeit, die Republik funktioniert”, kommentierte dagegen Milei, der den lange regierenden Peronisten stets Korruption vorwarf.

Kirchner gilt bis heute als die entscheidende Strippenzieherin im argentinischen Peronismus. Die Bewegung geht auf Juan Domingo Perón (1895-1974) zurück, der während seiner Präsidentschaften zentrale Wirtschaftszweige – darunter Eisenbahn und Telefon – verstaatlichte. Um Sozialleistungen zu zahlen, erhöhte er die Staatsausgaben. Zentral in der Bewegung war auch Peróns zweite Frau, “Evita” Duarte.

Der derzeitige Amtsinhaber Milei vertritt das Gegenteil: Deregulierung, weniger Staat und mehr Eigenverantwortung der Einwohner. Wohlstand soll durch Unternehmertum entstehen.

Nun versammelten sich vor Kirchners Haus ihre Anhänger. In der ohnehin schon polarisierten Gesellschaft dürfte der Fall für weitere Emotionen sorgen. Während Milei für das linke Spielfeld eine Art Hassfigur ist, ist das Kirchner für das rechte Spektrum. Beleidigungen und Drohungen des jeweils anderen Lagers gehören dazu. Bilder einer Cristina Kirchner im Gefängnis könnte eine neue Mobilisierung des nach den letzten Wahlen arg gerupften peronistischen Lagers mit sich bringen.

Kirchner hat in der argentinischen Öffentlichkeit stets polarisiert. Regierungskritische Medien dokumentierten unter dem Schlagwort “Die Route des K-Geldes” Ermittlungsergebnisse. Das Vermögen der Familie Kirchner wuchs mit ihrem Aufstieg zu einer der einflussreichsten Clans der argentinischen Politik bemerkenswert an.

Der inzwischen verstorbene Ehemann Nestor Kirchner legte mit der Präsidentschaft zwischen 2003 und 2007 den Grundstein, Cristina Kirchner folgte ihm im Amt für acht Jahre. Der gemeinsame Sohn Maximo sitzt im Parlament. Mit dem Einfluss wuchs der Reichtum: Medien berichten über Großgrundbesitz in Patagonien, über Hotels, über die Geldwäsche abgewickelt worden sein soll.

Kirchners Anhänger bezweifeln das und sprechen von einem Anschlag auf die Demokratie. Gerade erst hatte Kirchner ihre Kandidatur für das Parlament der Provinz Buenos Aires bekanntgegeben. Zuvor hatte es interne Spannungen mit dem Gouverneur der riesigen und bevölkerungsreichen Provinz gegeben: Axel Kicillof gilt als unverbrauchtes und unbelastetes Gesicht der Peronismus und wollte eine Kandidatur Kirchners verhindern. Sie steht einem politischen Neuanfang im Wege. Nun aber muss sich Kicillof solidarisch mit Kirchner zeigen.

Auch für die argentinische Kirche ist der Fall kompliziert. Nach jahrelanger Funkstille suchte Kirchner die Nähe von Jorge Bergoglio, allerdings erst nachdem der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires im März 2013 Papst Franziskus wurde. Der argentinischen Kirche wird eine Nähe zum Peronismus nachgesagt.

Ob sich die Bischöfe nun zu dem Fall äußern, bleibt abzuwarten, denn beide Vorwürfe wiegen schwer: Einerseits die Korruption, andererseits die Gefährdung der Demokratie. Sich in diesem Spannungsfeld zu positionieren, ist schwierig. Ein Szenario wäre eine Begnadigung: Ausgesprochen von Amtsinhaber Javier Milei.