Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen haben sich zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen entsetzt über das gute Abschneiden der AfD geäußert. Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, erklärte in der Bild-Zeitung, die freie und offene Gesellschaft in Deutschland sei in Gefahr. Amnesty International warnte die deutsche Politik vor einem weiteren „menschenrechtlichen Unterbietungswettbewerb“. Die Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Aslihan Yesilkaya-Yurtbay, erklärte in Berlin, die Wahlergebnisse stellten für Deutsche mit Migrationsgeschichte ihre neue Heimat und Zukunft infrage. Der sächsische Flüchtlingsrat warnte vor einer weiteren „Zunahme von Diskriminierung und Übergriffen im Alltag“.
Der Deutsche Caritasverband warnte vor einer „Schockstarre“. Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa appellierte in Berlin an die Verantwortlichen in den demokratischen Parteien, konstruktiv nach arbeitsfähigen Lösungen für die Regierungsbildung zu suchen: „Die AfD ist eine Partei, die unsere Werte mit Füßen tritt.“ Es brauche jetzt Zukunftsmut und Lösungsorientierung. „Wer genau hinhört, spürt ein großes Bedürfnis nach Sicherheit – gerade auch nach sozialer Sicherheit“, sagte sie.
Sachsen: Diakonie-Chef leicht optimistisch
Der sächsische Diakonie-Chef Dietrich Bauer betonte, ein Großteil der Wählerinnen und Wähler habe dazu beigetragen, dass Sachsen von einer Koalition demokratischer Parteien regiert werden könne. Dennoch hätten die gesellschaftlichen Spannungen ihren Ausdruck in den Wahlergebnissen gefunden. Es müsse nun gelingen, tragfähige Antworten für drängende soziale Themen zu finden, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Sachsen am Montag in Radebeul bei Dresden.
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger: „Wir dürfen unsere Gesellschaft nicht spalten lassen“. Gebraucht werde „Politik, die Probleme angeht – mehr Dialog und klare Abgrenzung gegen Hass und Hetze“.
Zentralrat der Juden: Deutschland taumelt
Zentralratspräsident Schuster verglich die Ergebnisse der in beiden Ländern als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD mit einem Wirkungstreffer in einem Boxkampf: „Deutschland taumelt“. Schuster äußerte sich besorgt, dass immer mehr Menschen die AfD aus politischer Überzeugung wählten.
Die Generalsekretärin von Amnesty Deutschland, Julia Duchrow, erklärte in Berlin, in Thüringen und Sachsen hätten sich die Parteien im Wahlkampf von menschenfeindlichen Forderungen gegen Ausländer und Minderheiten treiben lassen. Dies müsse jetzt ein Ende haben: „Die kommenden Landesregierungen haben den Auftrag, die Rechte aller zu schützen – ohne dabei zu diskriminieren. Rassismus, Queerfeindlichkeit und Hass stehen dem diametral entgegen“, sagte Duchrow.