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Wohnblock abgeriegelt: Gericht verneint Anspruch auf Schmerzensgeld

Bewohner eines Wohnblocks in Göttingen, der im Juni 2020 wegen der Corona-Pandemie von den Behörden abgeriegelt worden war, erhalten keine Prozesskostenhilfe für ihre Klage auf Schmerzensgeld. Die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg, entschied das Oberlandesgericht Braunschweig nach Angaben vom Dienstag. Es bestätigte damit ein Urteil des Landgerichts Göttingen. Die Bewohner müssten nun entscheiden, ob sie ihre Klage gegen die Stadt Göttingen auf eigenen Kosten weiterverfolgen wollten.

Hintergrund des Urteils ist eine Anordnung, die vor vier Jahren bundesweit für Aufsehen sorgte: In der Corona-Pandemie hatte die Stadt den ganzen Wohnblock unter Quarantäne gestellt. Sie untersagte den 668 Bewohnern des Gebäudekomplexes in der Groner Landstraße auf Grundlage einer Absonderungsverfügung, sieben Tage lang ihre Wohnung zu verlassen, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Das Gebäude wurde zeitweise mit Bauzäunen umstellt und durch die Polizei abgeriegelt, um die Quarantäne zu gewährleisten. In einer Reihentestung waren zuvor 100 dort lebende Personen positiv auf das Coronavirus getestet worden.

Im November 2023 hatte das Verwaltungsgericht Göttingen allerdings entschieden, dass der Stadt für die Anordnung die Rechtsgrundlage im Infektionsschutzgesetz fehlte. 40 Familien mit rund 200 Personen klagten daraufhin Anfang 2024 beim Landgericht Göttingen auf Schmerzensgeld wegen Freiheitsentziehung und der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts. Sie seien in ihrer Fortbewegung beschränkt worden, hätten Hunger und Schmerzen erlitten und sich wegen der Absperrung des Gebäudes gedemütigt und stigmatisiert gefühlt. Zugleich beantragten sie Prozesskostenhilfe.

Das Landgericht Göttingen lehnte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Februar 2024 allerdings wegen fehlender Erfolgsaussichten ab. Diese Entscheidung wurde nun vom 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig bestätigt. Weder aufgrund der Absonderungsverfügung noch wegen der Absperrung stehe den Bewohnern ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu.

Die Stadt habe die Quarantäne-Verfügung aus damaliger Sicht rechtmäßig zum Schutz der Bevölkerung erlassen. Es sei eine exponentielle Ausbreitung des Virus in dem Gebäude befürchtet worden. Die individuellen Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner hätte daher hinter dem Schutz der Bevölkerung für Leib und Leben zurücktreten müssen.

Auch die Absperrung des Wohnkomplexes durch den Bauzaun und die Polizei führe nicht zwangsläufig zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld. Die Bewohner hätten ihre konkret erlittenen Beeinträchtigungen oder Schäden darlegen müssen. Dies sei ihnen nicht gelungen.