Predigttext (in Auszügen)
(…) 3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, 4 der uns tröstet in aller unserer Bedrängnis, damit wir auch trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott. 5 Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. 6 Werden wir aber bedrängt, so geschieht es euch zu Trost und Heil; werden wir getröstet, so geschieht es euch zum Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden. (…) 8 Denn wir wollen euch, Brüder und Schwestern, nicht verschweigen die Bedrängnis, die uns in der Provinz Asia widerfahren ist, da wir über die Maßen beschwert waren und über unsere Kraft, sodass wir auch am Leben verzagten; 9 und wir dachten bei uns selbst, zum Tode verurteilt zu sein. Das geschah aber, damit wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst setzten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt, 10 der uns aus solcher Todesnot errettet hat und erretten wird. Auf ihn hoffen wir, er werde uns auch hinfort erretten.
Wir leiden an kollektiver Selbstüberschätzung“, meint Christoph Waltz. Der Schauspieler glaubt, „dass sich viele Menschen zu wichtig nehmen“. Er wird wohl etwas darüber wissen, schließlich ist er ein großer Schauspieler und zweifacher Oscar-Preisträger. In einem anderen Interview spricht er über Größenwahn und Demut. „Eigentlich sollte seit Kopernikus bekannt sein, spätestens aber seit der Aufklärung, dass der Mensch nicht das Maß aller Dinge ist.”
Wer will ihm widersprechen? Haben wir doch alle in unserem Umfeld Menschen und Gruppen vor Auge, die für sich eine besondere Wichtigkeit in Anspruch nehmen. „Wer nicht so denkt wie wir, denkt nicht richtig. Wer nicht so gehoben redet wie wir, ist schlicht. Wer nicht so einfach redet, ist ein Snob. Wer nicht so gebildet ist wie wir, ist dumm. Wer nicht so bodenständig ist wie wir, ist ein (intellektueller) Abgehobener.“
Wir (geschwisterlichen) Christen sind in diesem Punkt zu häufig leider keine rühmliche Ausnahme: „Wer nicht so glaubt, redet und handelt wie wir, glaubt, redet und handelt einfach falsch.“ Das ist unsere unbarmherzige Seite, und es ist eine bittere Erkenntnis, dass wir an dieser Stelle über alle Jahrhunderte hinweg bis heute eine echte offene Flanke haben. Eine Flanke, die bereits zu Beginn des gemeindlichen Lebens auftaucht und in der Bibel nicht verschwiegen wird. Ganz offen werden die Konflikte, die Zerrissenheit und die Auseinandersetzungen benannt – so auch in Korinth.
Korinth war ein Handelszentrum für Griechenland. Zur Bevölkerung gehörten Römer, Griechen und Juden. Die Stadt war für ihren Reichtum und Luxus weithin bekannt. Paulus gründete hier eine Gemeinde, zu der er wohl immer eine ganz besondere Beziehung hatte. Aber es gab durchaus Spannungen zwischen dem Apostel und der Gemeinde. Ein Hauptgrund der Kritik war sein wenig imponierendes Auftreten. Gegen die Kritiker und gegen das Misstrauen, das sie säten, musste Paulus sich erwehren.
Seine Verteidigung wird entgegen mancher Vorstellung allerdings nicht eine eindrucksvolle Demonstration der Stärke und seines vollmächtigen Auftrags, sondern eine besondere Betonung seiner Schwachheit. Der zweite Korinther-Brief ist ein sehr persönlicher Brief. In langen Passagen spricht der Apostel über sein persönliches Leiden für das Evangelium – auch darüber, wie er mit Gott um ein Ende von mancher Verzweiflung und manchem Schmerz ringt, bis Gott selbst zu ihm spricht und sagt: „Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit“ – oder etwas anders übersetzt, „denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
In unserem Verständnis hat Kraft landläufig immer etwas mit Stärke zu tun, möglicherweise auch der eigenen Stärke und dem eigenen Potenzial. Biblisch gesehen, kehrt sich das eher um. Denn die Kraft Gottes vollendet sich in der Schwachheit (des Menschen). Es ist wohl nicht die pompöse, eindrucksvolle, geradezu verherrlichende Schaustellung von Menschen, Institutionen oder Organisationen, sondern vielmehr die leise, die anfällige, manchmal gelähmte und vermeintlich ohnmächtige Seite. Insofern bricht die Bibel mit dem uns tief eingeprägten Bild der Macht und Kraft und damit auch unseren Ansprüchen und Vorstellungen.
Sie können nur Neues entdecken, wenn Sie mit anderen Augen schauen. Der Blickwinkel ist anders: Gott vollendet sich in der Schwachheit. Seien Sie eine Möglichkeitsdenkerin/ein Möglichkeitsdenker der Schwachheit. Dann werden wir erleben, wie sich Gottes Kraft entfaltet – aber wohl anders, als wir denken.