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Wo das Gute siegt

Vor 125 Jahren wurde der Bestseller-Autor J.R.R. Tolkien geboren. Spätestens seit der Jahrtausendwende kennt ihn jeder: J.R.R. Tolkien, den Autor des Welterfolgs „Der Herr der Ringe“, der das Fantasy-Genre entscheidend prägte. Tolkiens Geburt liegt inzwischen 125 Jahre zurück

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„Heil dir Earendel, strahlendster Engel, über Mittelerde den Menschen gesandt“: Auf diese Gedichtzeile aus dem frühen 9. Jahrhundert stößt rund 1100 Jahre später ein junger Oxford-Stipendiat. Er verfasst ein eigenes Gedicht über Earendel, den Abendstern – und mehrere Werke epischen Ausmaßes, die in Mittelerde spielen, einer fiktiven Welt, in der Hobbits und Zauberer gegen das Böse kämpfen. Im Januar jährt sich der Geburtstag des britischen Schriftstellers J.R.R. Tolkien zum 125. Mal.

Tolkien kommt in die Obhut eines Priesters

John Ronald Reuel kommt als Sohn britischer Kolonisten in Südafrika zur Welt. Als er vier Jahre alt ist, stirbt sein Vater. Die Mutter kehrt mit beiden Söhnen nach England zurück und wird katholisch – gegen den Widerstand der protestantischen Verwandten. Als auch sie stirbt, fühlt sich der zwölfjährige Sohn in seinem Glauben bestärkt: Die Welt stehe unter dem Einfluss des Bösen, langfristig werde das Gute jedoch siegen, so seine Überzeugung. Die beiden Jungen kommen in die Obhut eines Priesters, der mit ihrer Mutter befreundet war.
1915 zieht Tolkien in den Ersten Weltkrieg. Dort nimmt er an der Schlacht an der Somme teil und erkrankt am sogenannten Grabenfieber. In einer langen Genesungszeit schreibt er an Texten, aus denen später das „Silmarillion“ entsteht. In dieser Sammlung beschreibt er in Form von Sagen und Erzählungen seine fiktive Welt, in der die späteren Romane „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ spielen.
1917 kehrt Tolkien nach Oxford zurück. Zwei Jahre später wird er dort zum „Master of Arts“ gewählt und befasst sich mit der frühmittelalterlichen Heldensage „Beowolf“. Der Philologe beherrscht inzwischen zahlreiche Sprachen, darunter Althochdeutsch und Isländisch, und lernt Clive Staples Lewis kennen, der bald sein engster Freund und mit „Die Chroniken von Narnia“ ebenfalls ein gefeierter Schriftsteller wird.
Noch vor dem Krieg hatte der Romantiker seine Jugendliebe Edith geheiratet. Als Vater erfindet er mit Leidenschaft Geschichten. Ab Anfang der 1930er Jahre schreibt er am Kinderbuch „Der kleine Hobbit“. Erst nach Jahren bietet Tolkien das Werk einem Verlag an – 1937 wird es zu einem sensationellen Erfolg. In den Folgejahren entsteht „Der Herr der Ringe“, das 1954/55 erscheint und alle Erwartungen nochmals übertrifft.
„Tolkien hat einmal gesagt, er könne sich an keine Zeit erinnern, in der er nicht am ,Herrn der Ringe‘ gearbeitet hätte“, schreibt die Literaturwissenschaftlerin Cordelia Spae­mann. „Es ging ihm um nichts Geringeres als darum, die Welt noch einmal zu schaffen, mit einem eigenen Schöpfungsmythos.“ Ein hochgestecktes Ziel. Doch Spaemann sieht darin den Versuch, die moderne Welt davon zu überzeugen, dass das Gute über das Böse siegen könne.
Auch viele Details in Tolkiens Werken zeigen klare christliche Anleihen: Treue und Zweifel unter den Gefährten der „Herr der Ringe“-Hauptfigur Frodo mögen an die Jünger Jesu erinnern; Freunde und Liebende opfern sich in den Romanen für ihre Nächsten; weise Figuren pochen darauf, Schwächere zu unterstützen, nicht zu rasch zu urteilen oder auch Haltung zu zeigen.
Interpretationsversuche bezüglich des Zweiten Weltkriegs hat Tolkien dagegen stets zurückgewiesen. Auf dem Höhepunkt des neuerlichen „Herr der Ringe“-Hypes, als ab 2001 die Verfilmungen in den Kinos liefen, wurde mancherorts über martialische Schlachtszenen und Kelten-Symbolik diskutiert. Der Autor selbst schrieb dazu einmal: „Es scheint oft vergessen zu werden, dass es nicht weniger abscheulich war, 1914 jung zu sein, als 1939 und in den folgenden Jahren zu leben. 1918 waren bis auf einen alle meine engen Freunde tot.“

Große Begeisterung für Mythologie

Seine letzten Lebensjahre verbrachte Tolkien am „Silmarillion“ arbeitend, das posthum erschien. Er starb 1973 im Seebad Bournemouth, zwei Jahre nach seiner Ehefrau. Kurz vor seinem Tod hielt Tolkien in einem Interview fest: “Ich bin ein überzeugter römisch-katholischer Christ.“ Mit seiner Begeisterung für Mythologie passte dies in seinen Augen offenbar gut zusammen: Auf dem gemeinsamen Grabstein des Paars stehen die Namen Beren und Luthien – als Zeichen für eine Liebe, die den Tod überdauert.