Am gleichen Ort und zur gleichen Zeit wie vor 500 Jahren sind am Wochenende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Historischen Rathaussaal zusammengekommen, um über die reformatorischen Kontroversen und die Folgen dieser Umbruchszeit zu sprechen.
In der Stadt, die Martin Luther als „das Auge und Ohr Deutschlands“ pries, fuhr Anfang des 16. Jahrhunderts der Zug schon eine ganze Weile in Richtung Reformation. Die reformatorischen Predigten, auch von Größen der Reformation wie Philipp Melanchthon, fanden beim Volk großen Anklang. Aber die Reichsstadt war auch dem Kaiser unterstellt, der den päpstlichen Glauben behalten hatte. Den wollte man nicht brüskieren.
Der Samen für die Reformation in Nürnberg wurde im Augustinerkloster gelegt. Dorthin kamen immer wieder Wegbegleiter Martin Luthers und zeigten als Prediger, „wie Worte die Stadt verändern“, stellte einmal der verstorbene Kirchenhistoriker Gottfried Seebaß fest.
Die reformatorischen Gedanken setzten sich durch. Allmählich ging in die Kirchenordnungen ein, dass der Mensch immer auf die Gnade Gottes angewiesen ist. Abendmahle wurden als Gemeindemahle mit Brot und Wein gefeiert. Die Heiligenfeiertage wurden aufgehoben. Bereits 1522 führte der Rat der Stadt eine Armenfürsorge aus den eingezogenen Geldern der Klöster ein. Zu den neuen Aufgaben der Stadt gehörte das Schulwesen, das 1526 zur Gründung des ersten Gymnasiums führte, zu der Philipp Melanchthon anreiste.
Der Rat rief Alt- und Neugläubige 1525 zu einem Religionsgespräch in den Rathaussaal, in dem nicht nur die Räte, sondern auch Handwerker und Künstler saßen. An sechs Tagen im März stritten sich Theologen beider Richtungen nach festgelegten Regeln. Die Fenster des Rathaussaals waren weit geöffnet, damit das Volk zuhören konnte.
Festgelegte Regel für das Religionsgespräch war, dass nur auf Basis der Bibel argumentiert werden durfte, gleichermaßen eine Vorfestlegung auf den Glauben, den Luther vertrat. Moderiert wurde der „Wettbewerb“ vom Rechtsprofessor Christoph Scheurl. Der Prediger an der Nürnberger Lorenzkirche, Andreas Osiander, soll in diesen Religionsgesprächen mit scharfem Verstand ein Argumentationsfeuerwerk abgebrannt und die katholischen Klosterprediger praktisch an die Wand geredet haben.
Ein Bildersturm blieb den Nürnbergern erspart, wie an den Bürgerkirchen St. Sebald und St. Lorenz mit ihren Kunstwerken und Heiligenabbildungen deutlich wird. Mit Diplomatie und Bedacht wollte der Rat den Frieden in der Stadt bewahren. (0894/16.03.2025)