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Wie viele Päpste gab es bisher?

Franziskus war der 266. Papst laut der offiziellen Papstliste des Vatikans. Aber war er das wirklich? Historiker sind sich da nicht so sicher. Auch ein Archivar des Vatikans hatte schon seine Zweifel.

Jedes Jahr, meist Ende März, erscheint das Annuario Pontificio – das dicke, rote päpstliche Jahrbuch, so schwer wie ein Ziegelstein. Es listet akribisch auf, was es rund um die katholische Kirche zu wissen gibt. Gleich zu Beginn: die Papstliste. Sie beginnt mit dem Apostel Petrus und endet mit Papst Franziskus, dessen Tod in der nächsten Ausgabe vermerkt sein wird. Der Name seines Nachfolgers wird dann ergänzt. 266 Päpste zählt das Verzeichnis bislang – und 37 sogenannte Gegenpäpste.

Die Liste geht auf Angelo Mercati zurück, den Präfekten des Apostolischen Archivs (1925-1955). Seit 1947 wird sie jedes Jahr neu aufgelegt – und kaum verändert. Damals war Mercatis Version eine kleine Revolution: Anfang Januar 1947 stellte der “Osservatore Romano” die neue Papstchronologie offiziell vor. Kurz darauf meldete das US-Magazin Time aufgeregt: “Die katholische Kirche hat diese Woche ganz offiziell sechs Päpste abgeschafft.”

Tatsächlich strich Mercati gleich mehrere Päpste aus der bisherigen Zählung und fügte dafür drei Päpste und 37 Gegenpäpste hinzu. Manche von ihnen, etwa Felix II., Bonifaz VII. und Alexander V., galten in ihrer Zeit als rechtmäßige Päpste und spätere Päpste bezogen sich in ihrer Zählung auf sie.

Dass die Liste auch Gegenpäpste aufführt, hat einen Grund: Im Mittelalter war oft unklar, wer der wahre Papst war – etwa während des Großen Schismas (1378-1417), als es zeitweise sogar drei konkurrierende Pontifikate gab.

Selbst Mercati konnte nicht alle Widersprüche auflösen. Im “dunklen” zehnten Jahrhundert zählt Mercati für die chaotischen Jahre 963 bis 965 gleich drei verschiedene Päpste auf – nebeneinander. Benedikt IX. listet er dreimal – dieser war zwischen 1032 und 1048 mehrfach Papst und abgesetzt. Wer damals wirklich rechtmäßig regierte, lässt sich kaum mit Sicherheit sagen. Mercati zog die Konsequenz: Er gab die durchgängige Nummerierung der Päpste auf.

Wie schwer es war, eine verlässliche Liste zu erstellen, zeigt auch die Arbeit anderer Forscher. Der vatikanische Geistliche Amato Pietro Frutaz (1907-1980) etwa beschäftigte sich zur gleichen Zeit intensiv mit der Geschichte der Päpste – und kam teilweise zu ganz anderen Ergebnissen.

Vieles bleibt bis heute offen. “Die zahlreichen Papstlisten – auch die offizielle im Annuario Pontificio – beginnen alle mit Petrus, obwohl weder für ihn noch für seine Nachfolger im 2. Jahrhundert exakte Pontifikatsjahre überliefert sind,” schreibt der Historiker Klaus Herbers in seiner “Geschichte der Päpste im Mittelalter”.

Als das erste wirklich belegte Datum gilt der 28. September 235: An diesem Tag dankte Papst Pontian ab, nachdem er während der Christenverfolgung in Rom auf die “Todesinsel” Sardinien verbannt worden war.

Trotz aller Unklarheiten gilt die Liste im Annuario Pontificio bis heute als Goldstandard. Sie legt fest, wer als legitimer Papst gilt – und wer nicht. Und sie erfüllt einen höheren Zweck: die Dokumentation der apostolischen Sukzession – der ungebrochenen Linie von Petrus bis heute.

Das gibt auch Angelo Mercati in den Anmerkungen zu den Problemfällen zu verstehen: Es müssen gelegentlich zwei oder drei Päpste nebeneinander sein, wenn sich nicht eindeutig bestimmen lasse, welche Seite die wahre, ununterbrochene Nachfolge des Heiligen Petrus fortsetze.

Seit 1947 erscheint die Liste jährlich, versehen mit dem Hinweis: “gemäß der Chronologie des Liber Pontificalis und seinen Quellen, fortgeführt bis auf den heutigen Tag, mit den notwendigen Korrekturen gemäß den Ergebnissen der historischen Forschung.” Doch nach mehr als 75 Jahren wäre es sicherlich an der Zeit, diese Liste zu überarbeiten. Und ob der nächste Papst wirklich der 267. Nachfolger des Simon Petrus ist – auch das bleibt letztlich offen.