Mitten im bunten Trubel des Hamburger Schanzenviertels, dort, wo das Leben auf der Straße pulsiert und sich Subkulturen begegnen, findet sich die kleine, lebendige DOCK 1 Kirche. Pastor Ulf Bastian empfängt zusammen mit seinem Team im Haus 73 Menschen auf Sinnsuche – fernab traditioneller Kirchenmauern. „Das Schulterblatt ist vielleicht nicht unbedingt die frommste Straße“, sagt Bastian, „aber gerade deshalb braucht es hier Kirche, die nahbar und erfahrbar ist.“
Nicht nur an Pfingsten, dem Fest, das wohl die kraftvollste Geschichte des Christentums verkörpert. Es geht um Wind und Feuer, um göttliche Begeisterung, um die Anfänge von Kirche. Und: Es geht um den Heiligen Geist – eine der geheimnisvollsten Gestalten der christlichen Theologie.
In der DOCK 1 Kirche wird der Heilige Geist gelebt
Bastian kennt die Distanz vieler Menschen zu Pfingsten: „Ich glaube, in einer säkularen Gesellschaft mit einem ambivalenten bis ablehnenden Verhalten der Kirche gegenüber kann man zu Ostern oder zu Weihnachten noch sagen: Okay, da geht’s um Jesus. Das war ein guter Mann. Aber Pfingsten, da geht es um seinen Verein, und – na ja – damit haben viele Menschen ein Problem.“ Trotzdem erlebt Bastian regelmäßig, wie Menschen ausgerechnet hier Antworten suchen. „Hier kann und darf ich entdecken und mich mit Glauben auseinandersetzen.“
„Pfingsten ist die Wiederentdeckung des Heiligen Geistes“, sagt Bastian. Der Geist, der in der Bibel bereits im Alten Testament erwähnt wird, ist für Pfingstler keine abstrakte Lehre, sondern Gegenwart. Besonders deutlich wird das in den sogenannten Gaben des Geistes – prophetisches Reden, Heilung, Zungenrede. Schon Paulus schrieb darüber, dass jeder Mensch unterschiedliche geistliche Gaben habe, die gemeinsam die Gemeinde stärken. „Jesus soll all diese Gaben gehabt haben“, meint Bastian, „und als sein Leib lebt das in der Gemeinde weiter.“
Aber wie spürt man diesen Geist? „Das ist ganz unterschiedlich“, sagt Ulf Bastian. Einmal gebe es ein kollektives Erleben beispielsweise durch Musik oder bei gemeinsamen Gottesdiensten. Aber auch ein persönliches Erleben sei möglich. „Menschen berichten dann, dass sie eine große Freude oder einen großen Frieden in sich spüren“, erzählt Bastian. Das Fest sei kein einmaliges Ereignis: Pfingsten lebt. Es wiederholt sich – in jeder neuen Erfahrung mit dem Geist.
Freikirchliche Pfingstgemeinden auf Wachstumskurs
Das kommt an. Laut Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP), die größte pfingstkirchliche Organisation in Deutschland, stieg die Zahl der Mitglieder von 28.000 im Jahr 1996 auf 67.455 im Jahr 2024. Hinzu kommen 202.300 Zugehörige, die erreicht werden. Den Wachstumskurs gebe es weltweit, vor allem in Lateinamerika, Afrika und Asien. Für Bastian liegt das an ihrer Zugänglichkeit. „Wir sind erlebbar. Es gibt viel Nähe.“ Gleichzeitig nimmt er auch kritische Aspekte wahr. „Manchmal fehlt uns die Ausgewogenheit, etwa in der Frage des Leidens. Dann heißt es schnell: ‘Wenn du leidest, hast du zu wenig Glauben’. Das ist mir zu triumphalistisch.“ Auch die Gefahr geistlichen Missbrauchs sei real: „Manche überreizen die Gaben und manipulieren – das ist problematisch.“
Ulf Bastian selbst stammt aus der Punkszene, war lange Pastor in der Elim Kirche in Mundsburg, der ersten offiziellen Pfingstkirche Deutschlands. Heute leitet er die DOCK 1 Kirche mit ökumenischem Geist: „Ich schätze die Vielfalt in der Theologie.“ Auch gesellschaftliche Fragen spielten eine Rolle, etwa zur Einstellung zu queeren Menschen. Seine Antwort: „Komm so, wie du bist.“
DOCK 1 Kirche versteht sich als partizipativ
Die Idee: Kirche gemeinsam gestalten, mit dem, was Menschen mitbringen. Was in einer Szenegegend wie dem Schulterblatt funktioniert, könnte auch andernorts neue Wege aufzeigen. „Wir müssen Kirche neu denken“, fordert Bastian. Und vielleicht beginnt genau das mit der Wiederentdeckung dessen, was viele längst vergessen haben: Pfingsten – das Fest des Heiligen Geistes, der beflügelt, verbindet und verändert.