Bad Segeberg. Gibt es innerhalb der Kirche Grenzen der politischen Meinungsfreiheit? Was ist noch erlaubt, was gilt als nicht vereinbar mit christlichen Werten? Darüber spricht die Publizistin Liane Bednarz in der Kirchengemeinde Bad Segeberg, die den Vortrag gemeinsam mit der Evangelischen Akademie der Nordkirche veranstaltet.
„Immun gegen Rechtspopulismus? Die Selbsttäuschung der Kirchen“ lautet der Titel, unter dem Bednarz einerseits Trennlinien zwischen Rechtspopulismus und Kirche aufzeigt, andererseits analysiert, warum ausgrenzende Denkmuster auch innerhalb der Kirche zu finden sind. Liane Bednarz beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Populismus uns hat dazu auch Bücher veröffentlicht.
„Die Veranstaltung soll aufklären: Auch Kirche ist nicht immun gegen Rechtspopulismus“, so Joachim Kretschmar von der Akademie der Nordkirche, der Liane Bednarz eingeladen hat.. Sie solle zudem Extremismus entlarven, indem sie zeigt, wie Rechtspopulisten argumentieren – und helfen, Scheinargumente und rhetorische Tricks zu erkennen. „Und Frau Bednarz analysiert: Wo werden rechtspopulistische und rechtsextreme Strömungen auch durch Vertreter der Kirchen gefördert? Und warum meinen Rechtspopulisten, sich auch auf das Christentum beziehen zu können?“
Rechtsradikale vor Flüchtlingscafé
Dass der Vortrag in Bad Segeberg stattfindet, hat einen Grund. „Wir haben einen dem Verfassungsschutz bekannten Rechtsradikalen, der versucht, hier Gruppen zu aktivieren“, sagt Pastorin Rebecca Lenz von der örtlichen Kirchengemeinde. Er und Gleichgesinnte hielten sich häufig vor dem Flüchtlingscafé der Gemeinde am Marktplatz auf – auf provokative Weise; weil die Gruppe auch eine Parkfläche in Beschlag nehme, würden sich syrische Mütter mit ihren Kindern nicht mehr trauen, dorthin zu gehen.
Daher fand dort am Sonnabend, 18. Januar, ein Lichterfest der Initiative „Wir sind mehr – Segeberg bleibt bunt“ statt. Auch die Kirchengemeinde war dabei. Ihre Auffassung von Kirche sei, so die Pastorin, „dass sie ein Bollwerk ist, Sprachrohr und Solidargemeinschaft für alle, die drangsaliert werden – auch von Rechts.“ Doch etwas müsse im Christentum sein, eine Denkweise, die es möglich mache, dass Menschen für rechtspopulistisches Gedankengut anfällig würden. Ein großes Einfallstor bilde da, so Lenz, die Angst vor dem Islam. „Den Menschen wird erzählt, der Islam überrenne Deutschland, die mehrheitlich muslimischen Flüchtlinge würden unsere christliche Kultur verdrängen. Aus Angst vor Überfremdung sagen Christen dann ‚Wir müssen unsere Religion aufrecht erhalten‘.“
Einen Rechtsruck der Nordkirche befürchtet Kretschmar nicht. „Im Gegenteil bin ich froh, dass die Nordkirche sich flächendeckend und auf allen Ebenen deutlich gegen populistische und extremistische Strömungen stellt“, so der Studienleiter. Wie man auf demokratie- oder menschenfeindlichen Tendenzen durch kirchliche Vertreter reagieren sollte, hänge immer auch von der Situation ab. „Grundsätzlich gilt: wo möglich, die Auseinandersetzung suchen, Position beziehen – und auch rote Linien benennen.“