Vom Glanz vor der Kamera zu den ruhigen Momenten im Hospiz: In einer schweren Phase suchte Peggy Patzschke nach Wegen für einen Neustart. Heute gibt sie selbst entsprechende Tipps – online und in Büchern.
Sie hatte eine Bilderbuch-Karriere, erreichte ihre Ziele scheinbar mühelos und sprühte vor Ideen. Doch die Moderatorin und Autorin Peggy Patzschke war mit dieser “gelungenen Mischung aus Glück und Lust an der Arbeit”, wie sie selbst es nennt, eines Tages nicht mehr zufrieden. “Ich bin im Eiltempo durch alle Medien und Genres gerannt, habe am Wochenende gearbeitet und nebenbei alleine ein Kind erzogen”, sagt sie rückblickend und schüttelt missbilligend den Kopf mit den langen, dunkelblonden Haaren. Der Wunsch nach “mehr” – wie auch immer dies aussehen mochte – sei stets gegenwärtig gewesen.
Die Medien und deren Glamour waren von kleinauf Patzschkes Traum gewesen: Schon als Neunjährige wollte sie nach Probeaufnahmen mit dem Leipziger Rundfunkchor selbst im Studio an den Reglern eines Mischpults sitzen und Radio machen. Dies verwirklichte sie nach einer Hörfunkausbildung – und moderierte zehn Jahre lang die Morningshow bei MDR life.
Die Presse verhalf ihr damals als “Morning Queen” und “Stimme Mitteldeutschlands” zu Bekanntheit – und Patzschke, ein 1,59 Meter großes Energiebündel, war dankbar, tolle Kollegen und eine spannende Arbeit zu haben. Ein zweites Volontariat im Fernsehen und die Tätigkeit als TV-Reporterin, vor und hinter der Kamera, folgten.
Die Krise kam unvermittelt, mitten im Erfolg. Die Leipzigerin verlor ihr zweites Kind in der Schwangerschaft. Zudem erkrankte eine langjährige Freundin unheilbar, und Patzschke begleitete sie bei vielen Besuchen im Hospiz in den Tod.
Der Schmerz und die Trauer, die diese Schicksalsschläge mit sich brachten, waren, wie sie berichtet, geprägt von depressiven Phasen. Aber auch von dem Wunsch, einen Neuanfang zu wagen. Deshalb begann die Medienfrau, bekannte Persönlichkeiten, die ebenfalls Schweres erlebt hatten, nach Tipps für einen Neustart zu fragen. Für Patzschke – durch und durch Reporterin – eine naheliegende Form der Selbsthilfe.
In schwarzer Hose, schwarzem Shirt und offener Hemdbluse sitzt sie im Sessel und schwärmt vom “Rezepte-Sammeln für den Neustart”: Sie traf zum Beispiel Sven Hannawald, den deutschen Skispringer, der bei der Vierschanzentournee 2002 allen davonflog – aber geradewegs im Burnout landete und sein Leben neu ordnen musste. Sie sprach mit Heinz Rudolf Kunze, dem Rocksänger, der – was kaum jemand weiß – vor Auftritten seine Bühnenangst überwinden musste.
Sie interviewte Florian Sitzmann, der sich selbst den “halben Mann” nennt, da er als Jugendlicher von über zwei Metern Körpergröße bei einem Motorradunfall beide Beine verlor, und der inzwischen ein Haus gebaut und Kinder bekommen hat. “Das waren Persönlichkeiten, die trotz schwerster Schicksalsschläge solch eine Kraft ausstrahlten und mich ungeheuer aufbauten”, sagt Patzschke. Mit Hochachtung spricht sie auch von Inge Sieber, die mit 80 Jahren im Seniorenheim das Schlagzeugspielen lernte.
Um anderen Menschen in Lebenskrisen Mut zu machen, fasste Patzschke diese inspirierenden Lebensgeschichten in einem Buch zusammen. Den Titel fand sie, als sie bei einem Strandspaziergang an der Ostsee auf eine Muschel trat und ins Grübeln kam – über diese bewundernswerte Spezies, die aus einer Störung, einem eindringenden Sandkorn, den einzigartigen Schatz einer Perle machen kann. “Das Muschelprinzip”, die Sammlung der Neustart-Tipps, erschien 2018. Eine Fortsetzung der Lebensgeschichten präsentiert Patzschke in ihrem Video-Podcast “Life Punk”.
Doch es waren nicht nur diese Begegnungen, die ihr selbst mehr Zufriedenheit brachten. Alleinerziehend und alleinverdienend absolvierte sie eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Seelsorgerin. Wann immer es ihr Terminkalender zulässt, geht sie nun in Kinderkliniken und Hospize.
Die tiefgründigen Gespräche dort seien trotz des traurigen Anlasses eine “echte Kraftquelle”, sagt die Journalistin. “Auch der Glaube hat in meinem Leben immer eine Rolle gespielt”, sagt die 54-jährige, die in der atheistisch geprägten DDR geboren und nicht getauft wurde. “Ich bete, seit ich denken kann und bin überzeugt davon, dass mich das in den dunklen Zeiten getragen hat.”
Als neues Hobby hat sie das Schreiben für sich entdeckt. Ihr erster Roman “Bis ans Meer” ist vor kurzem erschienen: Patzschke hat ihn ihrer Großmutter gewidmet. “Ich habe sie als Kind abgöttisch geliebt, aber immer den Schmerz gespürt, den die schrecklichen Erlebnisse des Zweiten Weltkriegs bei ihr hinterlassen hatten.”
Mit der autobiografischen Familiengeschichte hat die Autorin die unverarbeiteten Traumata aufgearbeitet, die – so ihre Überzeugung – sonst in die nächsten Generationen weitergegeben werden. Für sie ist auch dies ein Teil von Vergangenheitsbewältigung und Selbstfürsorge.