In der Wissenschaft ist der Mann der Goldstandard. Von der Maus bis zum Menschen ist es der männliche Körper, der im Labor untersucht wird, sagt Cat Bohannon. Das geht auf Kosten der Gesundheit von Frauen.
Männer und Frauen erhalten Antidepressiva in Standarddosen. Nicht schlimm, oder? Doch, denn es gibt klare Hinweise, dass Frauen und Männer unterschiedlich darauf reagieren. Das ist auch bei Schmerzmitteln der Fall. Sie werden ebenfalls ohne Unterschied auf das Geschlecht verschrieben, obwohl es hinreichend Belege gibt, dass Frauen auf manche Medikamente weniger gut ansprechen.
Diese Beispiele führt die US-amerikanische Biowissenschaftlerin Cat Bohannon in ihrem Buch “Eva. Das Wunder des weiblichen Körpers – und wie er seit 200 Millionen Jahren die Entwicklung des Lebens auf der Erde vorantreibt” auf.
Die Erkenntnis, dass in den Wissenschaften bis in die Gegenwart Männer als das Standardmodell gelten, habe sie ziemlich überrascht, erklärt sie. “Wenn Wissenschaftler ausschließlich die männliche Norm untersuchen, sehen wir nur knapp die Hälfte eines komplexen Bildes”, sagt Bohannon. “Allzu oft wissen wir nicht einmal, was wir alles übersehen, wenn wir Geschlechtsunterschiede ignorieren, weil wir nicht nach ihnen fragen.”
Der Grund, warum Frauen nicht in klinische Studien eingebunden werden, in denen Medikamente erprobt werden, ist ganz einfach: Man will Frauen im gebärfähigen Alter vor unbekannten Nebenwirkungen schützen, erklärt die Wissenschaftlerin. Dazu komme, dass der weibliche Körper wegen der Hormone kompliziert sei. Nicht ohne Grund gibt es also die Gendermedizin. Als Teilgebiet der Humanmedizin beschäftigt sie sich mit den Unterschieden von Frauen und Männern in Bezug auf Vorbeugung, Entstehung, Diagnose und Therapie von Krankheiten.
“Während ein Großteil der Wissenschaft den weiblichen Körper weiterhin erfolgreich ignoriert, braut sich in der Frauenforschung eine stille Revolution zusammen”, hat die Wissenschaftlerin festgestellt. “In den vergangenen fünfzehn Jahren haben Forschende aller möglichen Fachbereiche spannende Entdeckungen dazu gemacht, was es bedeutet, eine Frau zu sein – ein weibliches Wesen mit all seinen evolutionär herausgebildeten Körpermerkmalen -, und wie dies und unsere Auffassung von uns und der gesamten Spezies Mensch verändern könnte.” Aber: Viele Wissenschaftler hätten davon noch nichts mitbekommen, meint sie.
“Was gewinnen wir, wenn wir fragen, was anders ist am weiblichen Körper? Und was könnten wir sonst übersehen?”, fragt die Wissenschaftlerin. Deswegen beabsichtigt sie, mit ihrem Buch eine neue Geschichte der Weiblichkeit zu schreiben, nämlich “wie sich unsere Körper entwickelt haben, wie sie funktionieren und was es eigentlich bedeutet, eine biologische Frau zu sein.” Dazu geht sie über 200 Millionen Jahre zurück, bis zu dem ersten Säugetier, das seine Jungen stillte – und hat auch die Gegenwart fest im Blick.