Gütersloh/Berlin – Fast jeder zweite Muslim in Deutschland hat sich 2016 einer Studie zufolge ehrenamtlich für Flüchtlinge engagiert. Unter Christen war es demnach jeder fünfte und von Konfessionslosen knapp jeder sechste, wie die Bertelsmann Stiftung in Gütersloh bei der Vorstellung einer Untersuchung zur Rolle der Religionen in der Flüchtlingshilfe erklärte.
Vorurteile, dass Muslime sich nur wenig in der Flüchtlingshilfe beteiligen und kaum gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, träfen nicht zu, bilanzierte die Bertelsmann Stiftung. Widerlegt werde auch der Verdacht, dass Muslime die Flüchtlingshilfe für eine religiöse Einflussnahme missbrauchten. Die große Mehrheit der Muslime werbe für eine offene Haltung gegenüber anderen Religionen. „Muslime sind mit ihrem Engagement in der Flüchtlingshilfe wichtige Brückenbauer in unsere Gesellschaft“, sagte der Experte für gesellschaftlichen Zusammenhalt der Bertelsmann Stiftung, Stephan Vopel.
Der Koordinationsrat der Muslime bekräftigte die Bereitschaft von Muslimen für die Integration von Flüchtlingen. „Muslime sind unabdingbare Partner, wenn es darum geht, die Neuankömmlinge in die deutsche Gesellschaft zu integrieren“, sagte der Sprecher des Koordinationsrates, Erol Pürlü. Moscheegemeinden seien unter den ersten und wichtigen Anlaufstellen für Flüchtlinge.
Die Diakonie sieht in der Studie die Bedeutung der Religionen für das soziale Engagement bestätigt. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie würdigte das Engagement muslimischer Mitbürger für Flüchtlinge. Das zivilisierte Gesicht der Religionen bringe „jeden Tag einen kaum zu überschätzenden Beitrag zum sozialen Zusammenhalt und zu einer Kultur des Helfens in unsere Gesellschaft ein“, sagte Lilie.
Das Sozialwissenschaftliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) verwies auf das generell große ehrenamtliche Engagement von evangelischen Christen. Nach Auswertungen des Instituts übernehme fast jeder zweite Evangelische mindestens eine freiwillige Tätigkeit, sagte die Sozialwissenschaftlerin Petra-Angela Ahrens. Dass bei dieser hohen Engagementquote Evangelische sich zudem in der Flüchtlingshilfe engagierten, zeige die große Bedeutung, die der Hilfe für die Integration beigemessen werde.
Als einen Grund für das vergleichsweise hohe freiwillige Engagement für Flüchtlinge unter Muslimen nannte der Sozialethiker Karl Gabriel, dass die Flüchtlinge ebenfalls überwiegend muslimischen Glaubens sind. Hinzu komme bei Muslimen in Deutschland das Potenzial an kultureller und sprachlicher Kompetenz, sagte der katholische Theologe vom Exzellenzcluster Religion und Politik an der Universität Münster. Die Flüchtlingshilfe zeige, dass die Mehrheitsgesellschaft die Minderheit brauche, um ein zentrales Problem erfolgreich angehen zu können.
Zahlenmäßig engagieren sich mehr Christen als Muslime, weil in Deutschland etwa zehn Mal so viele Christen wie Muslime leben. Die Studie empfiehlt mehr interreligiöse Partnerschaften für das Engagement in der Flüchtlingshilfe.
Für die Auftaktstudie zum Religionsmonitor 2017 wurden laut Bertelsmann Stiftung bundesweit 1500 Menschen befragt, davon zwei Drittel Christen und ein Drittel Konfessionslose. In einer Sonderstichprobe wurden zudem 1000 Muslime interviewt. Im Religionsmonitor untersucht die Stiftung die Rolle von Religion und religiöser Vielfalt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt epd
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Wichtige Brückenbauer
Bertelsmann-Studie zum Religionsmonitor bescheinigt Muslimen große Hilfsbereitschaft. Diakonie sieht Bedeutung der Religionen für das soziale Engagement bestätigt