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Wenn Flüchtlinge nach Jesus fragen

„Ich habe sechs Jahre lang die Koranschule besucht. Ich kenne den Koran in- und auswendig. Jetzt würde ich gerne mal wissen, was die Deutschen glauben“, sagt eines Tages ein Gambier zu Rainer Hönig. Die beiden kennen sich aus der Vorbereitungsklasse der Gewerbeschule in Backnang (Rems-Murr-Kreis), wo der Banker im Ruhestand zu diesem Zeitpunkt junge Asylbewerber ehrenamtlich beim Deutschlernen unterstützt und mit der Lehrerin Aktionen wie Ausflüge und Spielenachmittage organisiert. „Komm gerne zu mir nach Hause, jeden Mittwoch um 17 Uhr. Dann kann ich dir davon erzählen“, erwidert der engagierte Christ. Damit ist Treff 18 geboren, der zunächst noch Treff 17 heißt – jeweils benannt nach der Uhrzeit der Zusammenkunft.

Der junge Mann kommt mit seinem kamerunischen Freund. Sie sehen sich Sequenzen aus einem Film über Jesus an und sprechen darüber, singen einfache christliche Lieder, der Vater von vier erwachsenen Kindern betet zu Jesus. Zunehmend füllt sich das Wohnzimmer von Margret und Rainer Hönig mit Interessierten. „Es sprach sich herum, ohne dass wir dafür großartig Werbung gemacht hätten. Im Sommer hielten wir unsere Türen geöffnet, um zu zeigen, dass hier jeder willkommen ist, dass man jederzeit kommen und auch wieder gehen darf“, erinnert sich Rainer Hönig.

Als das Wohnzimmer zu klein wird, finden die Mittwochstreffen im Gemeindehaus der Backnanger Stiftskirche statt – zunächst im Clubraum mit bis zu 30 Männern und Frauen, schließlich im großen Gemeindesaal mit bis zu 70 Personen. Der in einfachem Deutsch gehaltene biblische Input, den nun Vertreter verschiedener Kirchengemeinden vorbereiten, wird je nach Bedarf ins Arabische, Kurdische oder Englische übersetzt. Ein paralleles Kinderprogramm kommt hinzu, gemeinsame Mahlzeiten verbinden. Bis heute sind besonders die Sommerfeste und Weihnachtsfeiern beliebt, wo sich laut Hönig über hundert Personen treffen – Kurden, Araber, Jesiden, Drusen, Deutsche.

Seit elf Jahren gibt es in Backnang keinen Mittwoch ohne Treff 18 – während der Corona-Pandemie in Form von Videos. Die internationalen Veranstaltungen im Rahmen der Evangelischen Allianz, die inzwischen in den Räumen der Liebenzeller Gemeinschaft stattfinden, haben sich nun auf 20 bis 25 Teilnehmer eingependelt. „Viele arbeiten inzwischen, einige sind beruflich weggezogen“, erklärt Hönig, durch dessen Vermittlung schon manche Ausbildung zustande gekommen ist.

Margret und Rainer Hönig stehen den Flüchtlingen fast täglich mit Rat und Tat zur Seite und werden von vielen mit „Mutter“ und „Vater“ angesprochen. „Treff 18 ist eigentlich der kleinste Teil unserer Arbeit“, so Rainer Hönig. Ungezählte Wege sind die beiden schon mitgegangen, zu Behörden, zu Ärzten. Margret Hönig, gelernte Arzthelferin, hat in Schwangerschaftskonflikten ermutigt, Geburten begleitet und geholfen, einen Hungerstreik zu beenden.

„Hönigs haben mir viel geholfen, um hier gut anzukommen“, erklärt Hussein Al Bakri, syrischer Kurde aus dem Raum Afrin, der seit 2021 eingebürgert ist. „Wenn ich Zeit habe, gehe ich immer noch gerne zum Treff 18“, so der Migrantenvertreter der Stadt Backnang und Sozialarbeiter der Caritas, der für Flüchtlingsunterkünfte im Rems-Murr-Kreis zuständig ist. „Anfangs war es mein Ziel, die Sprache und Leute kennenzulernen. Ich treffe hier Freunde und finde es faszinierend, dass sich Menschen unterschiedlicher Religionen begegnen und verstehen. Als Muslim wusste ich zuerst nur, dass Christen glauben, Jesus sei der Sohn Gottes. Doch jetzt weiß ich sehr viel mehr darüber, was in der Bibel steht und was christlichen Glauben ausmacht,“ sagt das Mitglied im Integrationsrat der Stadt Backnang.

„Wir möchten die deutsche Kultur kennenlernen, dazu gehört auch der christliche Glaube“, erklären der Türke Cemalettin Balikesir und seine kurdische Frau Evin, die vor einem Jahr mit ihrem kleinen Sohn aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind. „Ein Kollege, kurdischer Syrer wie wir, hat uns zum Treff 18 eingeladen“, erzählt Ferhad Haji, der eine Ausbildung zum Mechatroniker absolviert. „Meine Frau ist Muslima, ich habe keine Religion mehr. Mit unseren beiden kleinen Töchtern sind wir seit drei Jahren hier dabei, haben viele Leute aus verschiedenen Ländern kennengelernt und hören auch gerne die Geschichten von Jesus“, so der 33-Jährige. (1054/09.05.2025)