Dicker Mantel, Schal und Decke gehörten seit dem Ausbruch der Pandemie vor zweieinhalb Jahren zur winterlichen Ausstattung der Gottesdienstbesucher im Schweriner Dom einfach dazu – ebenso wie der Zusatz des Dompredigers bei der Begrüßung: „Wir feiern Gottesdienst bei 5 Grad“. Manchmal waren es noch weniger.
Inzwischen hat der Amtsinhaber gewechselt – das Frieren trotz einiger Bankheizungen im nun auch schon wieder recht frischen riesigen Kirchenschiff ist geblieben. Denn die seit Jahrzehnten als beheizbare Winterkirche genutzte separate Thomaskapelle im Kreuzgang fasst die meist 100 Gottesdienstbesucher nur, wenn sie sich sehr eng auf den Bänken drängen. Ein Unding in diesen Zeiten, findet nicht nur Karl Lauterbach, sondern auch der Kirchengemeinderat, dessen zweite Vorsitzende eine Ärztin ist. Allerdings: Mit sinkenden Temperaturen sinkt auch die Zahl der älteren Gottesdienstbesucher.
Umdenken aus ökologischen Gründen
Manche Besucher gerade zur Weihnachtszeit aus westlichen Gefilden reagierten mit Unverständnis. Sind sie doch weithin daran gewöhnt, dass selbst große alte Kirchen zumindest 15, 16 Grad zur Christvesper haben. Doch auch dort setzt nun langsam ein Umdenken aus ökologischen Gründen ein, verstärkt durch die rapide angestiegenen Energiekosten.
Für frühere Generationen war das selbstverständlich: Wer im Winter zur Kirche ging, musste frieren, wenn er nicht persönlich vorgesorgt hatte. Wer keinen Pelz besaß, versuchte, mit einem Sack für Beine und Gesäß samt einem heißen Ziegelstein unter den Füßen vorzusorgen. Selbst als im 19. Jahrhundert in etliche Kirchen riesige eiserne Öfen eingebaut wurden, brachte das kaum Erleichterung. Denn auch wenn diese befeuert wurden, bis das Metall zu glühen begann, so war doch meist der Effekt nur, dass die in der Nähe Sitzenden fast gegrillt wurden, aber schon einige Meter weiter kaum noch etwas von der Wärmestrahlung ankam.
Kachelofen auf der Patronatsempore
Kein Wunder also, dass die meisten dieser Öfen bei Kirchenrenovierungen nach dem Zweiten Weltkrieg entsorgt wurden, auch wenn noch lange ein zugeschmiertes Loch in der angerußten Wand an sie erinnerte. Es gibt sogar Kirchen, an denen man besondere schöne Exemplare – wenn auch außer Betrieb – bewundern kann.
Besser hatten es in etlichen Kirchen die Honoratioren auf ihren Patronatsemporen, die zumeist in der Barockzeit in den mittelalterlichen Bau eingezogen wurden. Die waren meist mit Bedacht nicht nur höher als die Kanzel, um zu zeigen, wer hier letztlich das Sagen hatte, sondern auch häufig mit Fenstern vom Kirchenschiff abgeschottet und mit einem kleinen Kachelofen ausgestattet, wie es zum Beispiel noch in der Kirche zu Groß Brütz bei Schwerin zu bestaunen ist. Und diese Patronatsemporen waren wohl auch das Vorbild für die Winterkirchen, mit denen etliche Sakralgebäude in den vergangenen Jahrzehnten vor allem im ländlichen Raum ausgestatten wurden. Entweder, weil sie als Filialkirchen kein Pfarrhaus in der Nähe hatten, dieses aufgegeben und verkauft worden war oder es dort keinen ausreichend großen Raum für Gottesdienste gab.
Gestaltung von Winterkirchen
Meist wurde so ein Raum unter der Orgelempore samt Heizung eingerichtet und mit einer Fensterfront versehen, die den Blick der Gemeinde zum Altar im Kirchenschiff erlaubt. Manchmal eignete sich auch der Raum unter dem Kirchturm dafür. Doch nicht nur im ländlichen Raum entstanden solche Winterkirchen. Auch in große gotische Kirchen wie in die Nikolaikirche in Wismar oder die Georgenkirche in Parchim wurden Winterkirchen in den vergangenen Jahrzehnten eingebaut – nicht selten nach langem Ringen mit der Denkmalpflege.
Ein besonders auffälliges Exemplar einer Winterkirche wurde in die neugotische Stadtkirche von Boizenburg an der Elbe eingebaut: Hier wurde gleich ein neuer, großer Gottesdienstraum komplett aus Glas mitten ins Kirchenschiff gesetzt, was sich allerdings als recht aufwändig bei Putzaktionen erwies.