Die Kritik am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) nimmt zu, nachdem Chefankläger Karim Khan Haftbefehle sowohl gegen die Spitzen der Hamas als auch gegen Mitglieder der israelischen Regierung beantragt hat.
Volker Beck, der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), forderte die Bundesregierung auf, die Intervention eindeutig zurückzuweisen: “Jeder Versuch, Parallelen zwischen den Terroristen der Hamas und der demokratisch gewählten Regierung Israels zu ziehen, muss in aller Klarheit verurteilt werden. Es darf nicht vergessen werden, wer diesen Krieg begonnen und wer unschuldige Bürger und Familien vergewaltigt, abgeschlachtet, verbrannt, misshandelt und entführt hat.”
Die Bundesregierung muss die Intervention des Chefanklägers am @IntlCrimCourt, Karim A.A. Khan, eindeutig zurückzuweisen. Dieser Antrag stellt eine Ungeheuerlichkeit dar. Der Kommentar von DIG-Präsident @Volker_Beck. https://t.co/h5qCf0qEI2
— Deutsch-Israelische Gesellschaft (@DIGeV_de) May 21, 2024
Beck: “Laue Erklärung” aus dem Auswärtigen Amt
Beck fügte hinzu: “Die faktische Gleichstellung einer Terrororganisation mit einem demokratischen Staat und seiner Armee, die sich gegen einen Angriff verteidigt, lässt an der rechtlichen Orientierung der Ankläger zweifeln.” Die “laue Erklärung” aus dem Auswärtigen Amt sei unzureichend und werde der außenpolitischen Bedeutung des Ereignisses nicht gerecht.
Ein Sprecher des Außenministeriums hatte erklärt, Deutschland respektiere die Unabhängigkeit des IStGH und seine Verfahrensabläufe wie die aller anderen internationalen Gerichte. Doch sei durch die gleichzeitige Beantragung der Haftbefehle gegen die Hamas-Führer auf der einen und der israelischen Amtsträger auf der anderen Seite “der unzutreffende Eindruck einer Gleichsetzung entstanden”.
Die Hamas-Führer hätten ein barbarisches Massaker zu verantworten, hielten weiterhin Geiseln unter unsäglichen Bedingungen gefangen und missbrauchten die Zivilbevölkerung in Gaza als menschliche Schutzschilde. Die israelische Regierung dagegen habe “das Recht und die Pflicht, ihre Bevölkerung davor zu schützen und dagegen zu verteidigen. Klar ist, dass dabei das humanitäre Völkerrecht mit all seinen Verpflichtungen gilt.” Auch der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, kritisierte, der gleichzeitige Antrag habe “den falschen Eindruck einer Gleichsetzung erweckt”.
Germany respects independence and procedures of the @IntlCrimCourt. The simultaneous application for arrest warrants against Hamas` leadership and Israeli officials has given the incorrect impression of an equation.
— Steffen Seibert (@GerAmbTLV) May 20, 2024
Vorstoß eine “historische Schande”
Am Montag hatten bereits die Hamas und die israelische Regierung empört auf den Vorstoß aus Den Haag reagiert. Israels Außenminister Israel Katz nannte es skandalös, demokratisch gewählte Politiker so auf eine Stufe zu stellen mit “Mördern und Vergewaltigern der Hamas”. Dies sei eine “historische Schande”, die für immer in Erinnerung bleiben werde. Katz kündigte Gegenmaßnahmen auf internationaler Ebene an. Israel erkennt die Autorität des IStGH nicht an.
Auf israelischer Seite sind Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sowie Verteidigungsminister Joaw Galant von dem Antrag betroffen. Beiden wird vorgeworfen, für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich zu sein. Den Angaben zufolge geht es unter anderem um gezieltes Aushungern der Palästinenser im Gazastreifen sowie Angriffe auf die dortige Zivilbevölkerung.
Aufseiten der Terrorgruppe Hamas wurden Haftbefehle beantragt gegen die Anführer Yahya Sinwar, Mohammed Deif und Ismail Haniyeh. Sie werden wegen Ausrottung, Geiselnahme, Vergewaltigung und anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Zusammenhang mit den Terrorangriffen vom 7. Oktober gesucht.
Richter müssen Antrag des Klägers zustimmen
Die Richter des Strafgerichtshofs müssen nun entscheiden, ob die Haftbefehle tatsächlich erlassen werden. Sollten sie dem Antrag des Anklägers zustimmen, gäbe es zwar keinerlei Möglichkeit der direkten Vollstreckung. Die Bewegungsfreiheit der Betroffenen wäre jedoch deutlich eingeschränkt. Denn die mehr als 120 Vertragsstaaten des Gerichts sind – formal betrachtet – dazu verpflichtet, die Gesuchten festzunehmen und auszuliefern.