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Weimars Gärtner kämpfen um ihr Weltkulturerbe

Die Schwarzerle im Weimarer Ilm-Park wurzelt direkt am Flussbett – und doch ist sie nicht gesund. „Wasser hat sie genug“, sagt Andreas Pahl von der Direktion Schlösser, Gärten und Bauten der Klassik Stiftung Weimar: „Aber die starke Sonneneinstrahlung im Sommer macht ihren Blättern zu schaffen.“ Und dieser Baum sei nur einer von vielen, die seinem 30-köpfigen Gartenteam Sorge bereiten.

Jedes Jahr müssten mehr tote Äste ausgeschnitten werden, sagt Pahl: „Gerade im Winter sieht man das ganze Ausmaß.“ Er zeigt auf eine Baumgruppe hinter der Herzogin Anna Amalia Bibliothek. In einer Höhe von rund 15 Metern sind dort viele Kronen gekappt worden. Die kranken Bäume schaffen es nicht mehr, die oberen Äste mit Wasser zu versorgen. Im Sommer deckt das Blattgrün die Schäden gnädig zu.

Über rund 48 Hektar erstreckt sich der Park an der Ilm. Als einzigartiger Landschaftsgarten am Rand der Weimarer Altstadt ist er Bestandteil des Unesco-Weltkulturerbes. Herzog Carl August (1757-1828) und Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) verwirklichten hier ihre gartenkünstlerischen Ideen. Sie schufen ein begehbares Kunstwerk mit abwechslungsreichen Landschaftsbildern, Parkarchitekturen und Sitzgelegenheiten.

„Die Parkanlagen der Klassik Stiftung sind durchkomponierte Gartenkunstwerke“, sagt Pahl. Die Bäume seien bewusst nach Wuchs, Farbe, Blattform und Blüte ausgesucht worden, um bestimmte Bilder und Stimmungen zu erzeugen. Vielen Familien in der Stadt ist der Park gerade an warmen Sommertagen heute der liebste Teil im klassischen Weimar.

Viele Bäume seien inzwischen an der Schwelle ihrer natürlichen Lebenserwartung angekommen, betont Pahl. Daneben aber beobachteten die Gärtner, dass Buchen, die früher ab etwa 120 Jahren als alt galten, heute schon deutlich vor der Zeit absterben. Noch schlimmer sehe es bei den Fichten aus. Besonders traurig sind für Pahl Fälle, wie der einer Eiche, die von Goethe seinerzeit geschätzt wurde – und die es bald nicht mehr geben wird.

Inzwischen muss die Stiftung allein für die nötigsten Ausgaben in den Parks, zu denen auch der Park Belvedere, der Tiefurter Park und einige kleinere Gärten gehören, Aufträge in Höhe von jährlich rund 500.000 Euro ausschreiben. Der Mehrbedarf dort muss bei anderen Projekten in Gesamtetat der Stiftung eingespart werden.

Seitdem mit Unterstützung der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien eine Bestandserhebung, eine Art Gesundheitsatlas, des Baumbestands der Stiftung aufgestellt wurde, weiß der Abteilungsleiter Gartenbau der Stiftung, Stephan Herbarth, dass diese Summen für die Parksanierungen in den kommenden Jahren weiter steigen werden.

„Wir haben in unseren Parks einen Sanierungsbedarf in Höhe von 50 Millionen Euro“, schätzt Herbarth. Die Klimaschäden im Bestand seien enorm und endeten nicht bei den Bäumen. Erst im vergangenen Jahr drohte im Tiefurter Park ein Hang wegen Austrocknung abzurutschen.

Und längst nicht alles lässt sich reparieren. So erinnert Andreas Pahl daran, dass es in Landschaftsparks des 18. und 19. Jahrhunderts nicht nur um die Optik ging. „Wir können anstelle klimaempfindlicher Eichen südländische Arten nachpflanzen, und dann sieht das ähnlich aus“, sagt er. Aber die Symbolik gehe dabei bisweilen verloren.

Denn in der Gartenbaukunst dieser Epoche sind Bäumen laut Pahl bestimmte Eigenschaften zugesprochen worden. Im Zusammenspiel mit Sichtachsen und Parkbauwerken seien solche Symbole genutzt worden, um Gefühle oder Bedeutungen zu transportieren. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Trauerweide, die für Trauer und Schmerz steht, aber auch ein Symbol der Wiedergeburt ist. Die Eiche steht für Stärke und Macht. Blutbuchen wurden oft als Landmarken gesetzt, die Beständigkeit und Langlebigkeit ausdrücken sollten.

Doch gerade Blutbuchen leiden besonders unter dem Klimawandel. „Dort, wo solche Bäume nicht mehr zu ersetzen sind, verliert der Park ein Stück seiner Bedeutung als kulturhistorische Komposition“, sagt Pahl. Gerade in einem Unesco-Park sei das eine besonders schmerzhafte Entwicklung.