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Was die Königin von Saba mit den Weisen aus dem Morgenland zu tun hat

Zwei Royals und salbungsvolle Worte. Ist das Treffen von Salomo und der Königin von Saba nur ein orientalisches Märchen? Nein. Es zeigt, dass Neugier und Wertschätzung für das Andere zusammengehören.

Auf Augenhöhe – so stellt sich der Künstler Nikolaus von Verdun (ca. 1130-1205) das Treffen der Königin von Saba und Salomo vor
Auf Augenhöhe – so stellt sich der Künstler Nikolaus von Verdun (ca. 1130-1205) das Treffen der Königin von Saba und Salomo vorakg-images / Erich Lessing

Die Königin von Saba ist eine bemerkenswerte Frau. Die biblische Erzählung stellt sie als selbstbewusst, weise, mächtig und märchenhaft reich dar. Sie herrscht über ein großes, fernes Reich, das sich allerdings nicht sicher einem historischen Staat zuordnen lässt.

Zwei mögliche Orte kommen in Frage: Der Südwesten der Arabischen Halbinsel im Gebiet des heutigen Jemen, wo das Volk der Sabäer zu Hause war, und das Königreich Aksum im Nordosten Afrikas, entlang des Roten Meeres. Beide Reiche sind allerdings erst einige Jahrhunderte nach der Regierungszeit Salomos im 10. Jahrhundert vor Christus sicher nachzuweisen.

Keine eindeutige historische Zuordnung

Einen eindeutigen archäologischen Beleg dafür, dass die Königin von Saba wirklich existiert hat, gibt es nicht. Dafür werden die Erzählungen über sie nicht nur in der Bibel, sondern auch im Koran und in äthiopischen Legenden umso reicher ausgeschmückt.

Die biblischen Autoren erwähnen das Treffen der beiden Royals eindeutig mit der Absicht, Salomo als König von Gottes Gnaden darzustellen. Nach dieser Version macht sich die Königin auf den Weg, weil sie von Salomo gehört hat und sich selbst davon überzeugen will, ob die Gerüchte über seine sagenhafte Weisheit und seinen Reichtum der Wahrheit entsprechen. Und tatsächlich: Sie findet alles so, wie ihr berichtet wurde, preist Salomos Gott, beschenkt ihn mit Gold und Edelsteinen und zieht wieder zurück in ihr eigenes Reich.

Königin und König sind gleichwertig

Salomo und die Königin werden als gleichwertig dargestellt, wenn nicht sogar mit einem leichten Machtüberhang der Königin. Die Reaktion der mächtigen Herrscherin ist für die biblischen Autoren eine wertvolle Referenz dafür, dass König David und seine Nachkommen die idealen Herrscher Israels waren – oder besser gesagt: gewesen wären, wenn sie sich denn wirklich in allem an Gottes Gebote gehalten hätten.

Königinnen und Königen wurde schon immer ein großer Reichtum nachgesagt
Königinnen und Königen wurde schon immer ein großer Reichtum nachgesagtUnsplash / Bjorn Pierre

Weitere überlieferte Versionen setzen andere Schwerpunkte: Im Koran wird märchenhaft ausgeschmückt, wie Salomon – auf arabisch „Sulaiman“ – die Königin, die hier „Bilkis“ oder „Balkis“ heißt, per Brief dazu auffordert, den Islam anzunehmen. Sie kommt, um sich persönlich ein Bild von diesem Glauben zu machen, erkennt Sulaiman als Propheten Allahs und tritt zum Islam über. Auch wenn diese Version eindeutig auf die „Bekehrung“ der Königin zugespitzt ist, wird sie hier ebenfalls als mächtige und kluge Herrscherin gezeichnet.

Nach der äthiopischen Legende wiederum nimmt die Königin den Glauben an den Gott Israels an. Außerdem bleibt es nach dieser Überlieferung zwischen Salomon und der Königin nicht bei philosophischen Gesprächen.

Ein Sohn als Stammvater in Äthiopien

Sie zeugten zusammen einen Sohn, Menelik, der zum sagenhaften Stammvater des äthiopischen Herrschergeschlechts der Salomoniden wurde. Noch der letzte äthiopische Kaiser Haile Selassie (1892-1975) führte seine Herkunft auf diese Vereinigung zurück.

Interessant ist, welche Informationen der Text nur ganz beiläufig erwähnt. Zum einen ist die Königin von Saba eine Frau, die offenbar souverän ein großes Reich regiert. Das war selten, wenn auch nicht ausgeschlossen in der Antike. Die Pharaonin Hatschepsut etwa regierte bereits rund 500 Jahre vor der Königin von Saba und gilt als eine der wichtigsten Herrschergestalten ihrer Epoche.

Mächtige Herrscherinnen der Antike

Eine weitere Königin, Zabibê, wird in einer assyrischen Tributliste als „Königin der Aribi (Araber)“ bezeichnet und herrschte von 738 bis 733 v. Christus. Die Tatsache, dass eine Herrscherin mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar deutlich reicher und mächtiger ist als der israelische König, wird nicht weiter thematisiert. Beide stehen selbstverständlich auf Augenhöhe.

Ob die Königin von Saba einen ähnlichen Thron besessen hat, lässt sich nicht sagen
Ob die Königin von Saba einen ähnlichen Thron besessen hat, lässt sich nicht sagenUnsplash / William Krause

Zum anderen ist die Religion der Besucherin kein Thema im biblischen Bericht. Dass sie an andere Götter oder Göttinnen glaubt, erschließt sich nur aus ihrer Reaktion auf die Opfer, die Salomo vor ihren Augen zelebriert: Hier spricht sie von „deinem Gott“, der nicht ihrer ist, den sie offenbar aber mühelos akzeptieren und preisen kann. Mehr aber auch nicht: Sie ändert ihren eigenen Glauben nicht, sondern zieht genauso zurück, wie sie gekommen ist – anders als in den islamischen und äthiopischen Versionen der Geschichte.

Und hier wird dann auch das Verständnis von Weisheit konkreter, um die es ja in der Geschichte in erster Linie geht. „Gelobt sei der Herr, dein Gott, der an dir Wohlgefallen hat, sodass er dich auf den Thron Israels gesetzt hat!“, sagt die Königin von Saba zu Salomon, und fährt fort: „Weil der Herr Israel lieb hat ewiglich, hat er dich zum König gesetzt, dass du Recht und Gerechtigkeit übst.“

Könige müssen sich Gerechtigkeit verpflichten

Recht und Gerechtigkeit – das ist der Maßstab, an dem sich alle biblischen Könige messen lassen müssen. Die Doppelung taucht als feststehender Ausdruck immer wieder im Alten Testament auf. Sie bedeutet, dass auch und gerade der König an die Gebote gebunden ist, die Gott zum Wohl der Allgemeinheit gegeben hat. Nur wenn er sich danach richtet, können Frieden und ein gutes soziales Miteinander gedeihen. Und nur wenn er auf diese Weise Recht und Gerechtigkeit übt, ist er wahrhaft weise.

Darum erbittet sich Salomo in seinem berühmten Traum zu Beginn seiner Herrschaft keine weltlichen Güter, sondern etwas ganz anderes: ein „hörendes Herz“ (Luther übersetzt mit „gehorsames Herz“), um Gut und Böse zu unterscheiden. Eine wunderbare Umschreibung für Weisheit!

Zwei Fremde, die sich offen begegnen

Die Geschichte vom Treffen mit der Königin von Saba fügt dem noch einen weiteren Aspekt hinzu. Da treffen zwei Fremde aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Mann und Frau, verschiedene Reiche, verschiedene Kulturen, verschiedener Glaube. Aber von Spannungen oder Konkurrenz keine Spur. Beide gehen mit großer Neugier und Offenheit miteinander um. Sie halten weder mit ihrem Reichtum noch mit ihrem Glauben hinter dem Berg, sondern zeigen, was sie haben – sind jeweils aber auch in großer Gelassenheit bereit, das andere anzusehen und anzuerkennen.

Das zeigt: Wirklich weise Menschen haben die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Sie wissen, dass man immer dazulernen kann; sie lassen sich herausfordern und in Frage stellen.

Die Verbindung zu Epiphanias

Und was haben Salomo und die Königin von Saba eigentlich mit dem Sonntag Epiphanias, dem „Erscheinungsfest“, zu tun? Epiphanias betont die Göttlichkeit Jesu, nachdem zu Weihnachten seine menschliche Seite besonders gefeiert wurde. Davon erzählt an diesem Tag das Evangelium mit der Geschichte von den Sterndeutern aus dem Morgenland. Sie folgen neugierig einem Stern, erwarten die Ankunft eines mächtigen Königs – und finden das Kind in der Krippe, wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich.

Auch diese Männer sind Weise, die losziehen, um sich auf das Unbekannte und Ungewohnte einzulassen. Anders als die Königin von Saba sind sie nicht auf Wettstreit und Repräsentation aus, aber auch sie kehren voller neuer Eindrücken und Erkenntnissen wieder zurück in ihre Heimat.

Mit Fremdheit und Fremden gelassen, offen und im besten Sinne neugierig umgehen; andere großzügig und gastfreundlich empfangen; selbstverständlich den eigenen Glauben feiern, ohne Überheblichkeit, aber selbstbewusst – das ist Weisheit. Der König von Israel, die Königin von Saba und die Sterndeuter aus dem Morgenland machen es vor.