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Warum sich das Stricken wieder zunehmender Beliebtheit erfreut

Zwei rechts, zwei links und – Achtung! – keine Masche fallen lassen. Über eine beliebte Freizeitbeschäftigung, die auch noch psychisch Wunder wirken kann. Das fanden schwedische Forscher jetzt heraus.

Stricken: Früher haben Kinder diese Fähigkeit noch in der Schule gelernt. Heute gibt es zahlreiche Blogs, Tutorials und Handarbeitsplattformen im Internet, die Hilfestellung bei ersten und auch fortgeschrittenen Strickversuchen geben. Anleitungen zum Nachstricken für jedes Können bietet auch die Initiative Handarbeit. Seit mehr als zehn Jahren beobachtet der Verein einen “spürbaren Aufwind”. Neben dem DIY-Bereich liegt das aus Sicht von Vereinssprecherin Angela Probst-Bajak auch an der großen Auswahl und zeitgemäßen Designs sowie hochwertigen und modischen Garnen, “die das Stricken auch für eine jüngere und modebewusste Zielgruppe attraktiv machen”.

Woll-Lust, die auch bei Psycho-Stress helfen kann: Forscher der schwedischen Universität Göteborg fanden jetzt heraus, dass Stricken bei psychischen Krankheiten gut tut. So helfe es, sich entspannen und besser konzentrieren zu können. Zudem lasse es sich sowohl allein als auch in Gesellschaft ausüben. Einige der Studienteilnehmer bemerkten laut Studie auch eine Veränderung ihrer mentalen Prozesse: Sie könnten beim Stricken klarer denken.

Für die Studie analysierten die Forscher, was Menschen mit psychischen Problemen in ihren eigenen Worten darüber sagen, was das Stricken für sie bedeutet. Dafür wurden 600 internationale Posts im Sozialen Handarbeit-Netzwerk Ravelry qualitativ untersucht.

Positive Strick-Effekte sieht auch Expertin Probst-Bajak: Es könne “tatsächlich meditativ” wirken. Zudem könne das Strickzeug überall hin mitgenommen werden, so dass sich beispielsweise Wartezeiten “produktiv überbrücken” ließen.

Sie verweist darauf, dass viele Handarbeitsgeschäfte Kurse für Strickeinsteiger anbieten. Aber auch Volkshochschulen (VHS) nehmen Handarbeiten in ihr Kursprogramm auf. Stricken und Häkeln sei längst kein “altbackenes Hobby” mehr, sagt Dorothea Olbertz, Sprecherin der VHS Hamburg. Im Zuge des DIY-Booms habe das Stricken viele jüngere Fans gewonnen. Zu verdanken sei das auch engagierten Kursleiterinnen wie Textildesignerin Anna Husemann, deren nächster Kurs bereits wieder ausgebucht ist.

Husemann bietet seit 2018 Strickkurse an. Das Handwerk habe sie als Kind von ihrer Mutter gelernt und dann als Jugendliche wiederentdeckt. Handarbeit mit den leise rhythmisch klappernden Nadeln sei für sie “wie eine Meditation”. Zudem erfülle einen das Erlebnis, “etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen”, mit Stolz. Selbstgemachte Kleidung habe außerdem einen anderen Wert als etwas Gekauftes, sagt die Frau, die Anfang 30 ist. Auch Husemann glaubt, dass die Corona-Krise den Strick-Trend gefördert hat – als schöne Beschäftigung für zu Hause im Lockdown.

In ihren Kursen treffen sich jung und alt. So auch eine ältere Dame, “die seit 60 Jahren Socken strickt, sich aber nicht an etwas anderes rangetraut hat”, erzählt Husemann. Während Anfänger Schal, Mütze oder Handschuhe strickten, wagten sich Fortgeschrittene unter ihrer Anleitung auch an neue Techniken wie Zopfmuster oder mehrfarbige Stücke. Vorteil bei gemeinsamen Strickversuchen: Man könne sich gegenseitig inspirieren und auch motivieren, wenn es mal knifflig werde. Gemeinsam mit anderen das Stricken in einem Kurs zu lernen, sei einfacher als über Internet-Anleitungen, ist Husemann überzeugt.

Wertschätzung für die eigene Arbeit, Stolz über selbstgefertigte Kleidung, die im Sinne der Nachhaltigkeit nicht sofort wieder entsorgt wird – zum bewussten Konsum zählt für manche Strickfreunde auch ökologische Wolle. Utopia, eine Online-Plattform zum nachhaltigen Leben, empfiehlt beispielsweise den Kauf von zertifizierter Wolle aus kontrolliert biologischer, möglichst einheimischer Tierhaltung, etwa bei Bioland-Schäfereien. Wer auf Nummer sicher gehen und Tierleid ausschließen möchte, kann auch zu veganer Wolle – beispielsweise aus Bambus, Baumwolle, Hanf oder Leinen – greifen.

So oder so scheint das Stricken mehr zu sein als eine entspannte Freizeitbeschäftigung für lange Abende. Eine Studie der Universität Cardiff kommt jedenfalls zu dem Schluss, dass Stricken die Gedächtnisleistung verbessern kann, etwa beim Vokabellernen. So konnten sich Probanden während des Strickens an mehr gelernte Wörter erinnern als ohne die begleitende motorische Tätigkeit. Der Grund: Durch die rhythmischen, beidseitigen Handbewegungen werden die Gehirnhälften besser miteinander verknüpft – das hält den Geist fit.