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Warnung vor Kinder-Nahrungsergänzungsmitteln – “Geschäft mit Angst”

Ein Infekt jagt den nächsten, und in der Schule wächst der Stress. Viele Eltern wollen ihren Kindern etwas Gutes tun und ihr Immunsystem stärken. Der Griff zu Nahrungsergänzungsmitteln ist aber meist nicht sinnvoll.

Nahrungsergänzungsmittel “braucht kein Kind” – zu diesem Schluss kommt ein Test der Stiftung Warentest. 18 Produkte wurden untersucht, wie die Verbraucherschützer am Mittwoch mitteilten. Davon war nur ein einziges ohne Mängel; 15 überschritten die empfohlene Menge an Vitaminen und Mineralstoffen. Fünf enthielten sogar Stoffe, die für Kinder als problematisch gelten, nämlich Vitamin A oder Kupfer.

Fünf Prozent der Kinder zwischen sechs und elf Jahren hierzulande bekämen entsprechende Mittel, sagte die Ressortleiterin Ernährung und Gesundheit der Stiftung, Nicole Merbach – dies entspreche hunderttausenden. Die Branche habe zwischen 2018 und 2024 einen Umsatzzuwachs von 35 Prozent hingelegt: Offenbar sei in den Corona-Jahren das Bedürfnis, die Gesundheit zu stärken, besonders ausgeprägt gewesen. Auch seien die Produkte in Drogerien, Supermärkten, Apotheken sowie online leicht erhältlich – der Trend weise also weiterhin nach oben.

Die Produkte kämen als Saft oder Lutschpastillen daher – harmlos, aber zugleich mit einem Wirkversprechen. Wenn sie wie Weingummi-Früchte oder Brause-Autos geformt seien, bestehe die Gefahr, dass Kinder sie mit Süßigkeiten gleichsetzten und zu viel davon zu sich nähmen, sagte der Bereichsleiter Untersuchungen, Holger Brackemann. Diese Optik betreffe die Hälfte der untersuchten Produkte.

Wenn Kinder beispielsweise zu viel Vitamin A aufnähmen, mit dem sie in der Regel ohnehin gut versorgt seien, drohten Kopfschmerzen, Haut-, Knochen- oder Leberprobleme, warnte Brackemann. Kupfer habe in Produkten für Kinder “gar nichts zu suchen”. Im Angebot seien also überwiegend Produkte, “die bestenfalls überflüssig sind, und ignorieren mögliche gesundheitliche Folgen.” Eltern zahlten bis zu 584 Euro im Jahr für entsprechende Mittel – der Experte sprach von einem “Geschäft mit der Angst der Eltern”.

Am ehesten komme ein Mangel an Vitamin D vor, vorwiegend in der dunklen Jahreszeit. Dies lasse sich vermeiden, wenn Kinder sich ausreichend im Freien aufhielten, so Brackemann. Das einzige untersuchte Produkt ohne Mängel war indes “Kinder – Vitamin D3” von Abtei.

Zuletzt habe sich gezeigt, dass es in der Bevölkerung keine allgemeine Unterversorgung an Vitaminen und Mineralstoffen gebe. Für bestimmte Gruppen wie schwangere Frauen oder Veganer gebe es bereits Empfehlungen für ergänzende Produkte. Laut Merbach rät die Wissenschaft von einer rein veganen Ernährung für Kinder eher ab.

Rechtlich werden Nahrungsergänzungsmittel als Lebensmittel eingestuft. Eine EU-Richtlinie von 2002 legt fest, dass auf ihrer Verpackung etwa Zutaten, Allergene und Hersteller vermerkt sein müssen. Eine Höchstmenge von bestimmten Inhaltsstoffen sei jedoch nicht vorgeschrieben, kritisierte Brackemann. Eine Aktualisierung der Richtlinie sei überfällig. Zudem brauche es ein Zulassungsverfahren für Nahrungsergänzungsmittel, das zuletzt auch die Bundes-Verbraucherzentrale gefordert hatte.