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Waidmanns Heil?

Rund um den Namenstag des heiligen Hubertus am 3. November laden viele ländliche Gemeinden zu sogenannten Hubertusmessen ein. Sie sollen Jägerinnen und Jäger daran erinnern, dass die Achtung vor der Schöpfung auch bei der Jagd das höchste Prinzip ist. Aber die Tradition ist umstritten: Segnen die Kirchen hier brutales Töten oder warnen sie davor? Zwei Meinungen zu Hubertusmessen.

Pro: Sensibilisierung für das Gleichgewicht in der Natur

Hubertusmessen vermitteln mir als Pastor Zugang zu Menschen, zu denen ich sonst kaum oder keinen Kontakt habe. In unserer Kirche steht der Paulus-Spruch: „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ Damit sind mir auch die Jäger ans Herz gelegt. Ich begegne ihnen also mit Achtung und unterstelle einer ganzen Berufsgruppe nicht von vornherein Unmoral.

Verantwortliches Waidwerk halte ich auch im Hinblick auf die Folgen von land- und forstwirtschaftlicher Nutzung für unumgänglich. Mais in Monokultur fördert die unkontrollierte Vermehrung der Wildschweine. Enorme Schäden im nachwachsenden Baumbestand entstehen durch Wildverbiss. Um die Populationen von Rotwild und Wildschweinen in Grenzen zu halten, sind Jäger nun mal nötig. Sie haben sozusagen eine wichtige Funktion bei der Relativierung anderer Umweltsünden. Um Menschen für Fragen nach dem Gleichgewicht in der Natur zu sensibilisieren – dazu bieten Hubertusmessen eine Chance. Sie machen nachdenklich und mahnen ein verantwortliches Waidwerk an. Ja, es gibt „schwarze Schafe“: wilde Jägerei, Trophäenjagd oder Wildfleischbesorgung. Auch Hubertus war ein böser Wildschütze – und fand doch die Wahrheit. Und schließlich hat auch die Gottesdienstkultur mit den Musikstücken der Hubertusmesse etwas sehr Ergreifendes. Wenn heute die meisten Jäger ihr Waidwerk verantwortlich ausüben, sollte man den Hörnerklang beim „Kyrie“ oder beim „Gloria“ wirklich nur auf „Verherr­lichung von Tötungslust“ reduzieren? Sollte man dem Heiligen Geist in Musik und Wort der Hubertusmessen nicht viel lieber eine Wirkungskraft zugestehen?

Pastor Hans-Joachim Jeromin lädt in Gützkow (Vorpommern) jährlich zu Hubertusmessen ein.

Kontra: Kirchlicher Segen für grausames Töten

Einen Gottesdienst zu veranstalten, der Jägern symbolisch den Segen für das sinnlose Töten wehrloser Mitgeschöpfe gibt, sendet ein völlig falsches Signal. Kirchen müssen für die Bewahrung der Schöpfung eintreten, nicht für ihre Zerstörung. 

Die Hubertusmesse verkennt zudem, dass der heilige Hubertus vom Jäger zum überzeugten Jagdgegner wurde. Mit einer Hubertusmesse wird dem Töten der kirchliche Segen gegeben. Sie bilden häufig den Auftakt zu den besonders grausamen Drückjagden, bei denen Jäger unzählige Tiere hetzen und töten.Peta – eine weltweit agierende Tierrechts­organisation – appelliert an die Kirchen­vertreter*innen, sich künftig von den Gewalt verherrlichenden Messen zu distanzieren.

Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz teilt mit, das bei Drückjagden bis zu zwei Drittel der Wildtiere nicht sofort sterben. Mit zerschossenen Knochen und heraushängenden Innereien flüchten die Tiere, leiden unter den Verletzungen oft tagelang und sterben qualvoll, wenn sie bei der sogenannten Nachsuche nicht gefunden werden.

Auch Wildbiologen sehen ökologisch keine Notwendigkeit für die Jagd. Dort, wo sich die Natur selbst regulieren darf, sind hohe Artenvielfalt und gesunde, stabile Wildtierpopulationen die Resultate. 

Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren, sie essen, sie anziehen, sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten.

Nadja Michler ist Fachreferentin für Widtiere bei der Tierschutzorganisation Peta.