Die Universitäten Köln und Münster starten am Dienstag eine Vorlesungsreihe zur Vertreibung der jüdischen Gemeinschaft aus Köln vor 600 Jahren. Bis Januar 2024 erklären Wissenschaftler in 14 Vorträgen die Hintergründe und ordnen die Geschehnisse in einen europäischen Zusammenhang ein. Die Unis arbeiten bei der Veranstaltungsreihe mit dem Jüdischen Museum MiQua in Köln zusammen. Die Ringvorlesung findet dienstags von 18.00 bis 19.30 Uhr abwechselnd in Köln und Münster statt.
Im August 1423 ordnete der Rat der Stadt Köln an, dass mit Wirkung zum 1. Oktober 1424 die jüdische Gemeinschaft die Stadt verlassen müsse. Ihren Besitz durften die Juden und Jüdinnen jedoch mitnehmen. Aus welchen Gründen der Rat der Stadt diesen Beschluss fällte, wird die Münsteraner Professorin für Landesgeschichte und Mitorganisatorin der Vorlesungsreihe, Carla Meyer-Schlenkrich, im Auftaktvortrag am 10. Oktober erklären.
In Köln lebt nicht nur die älteste jüdische Gemeinschaft Deutschlands, sondern auch die nördlich der Alpen. Erstmals erwähnte der römische Kaiser Konstantin in einem Edikt aus dem Jahr 321 eine jüdische Gemeinde in Köln. Das 1.700-Jahr-Jubiläum wurde vor zwei Jahren deutschlandweit mit zahlreichen Veranstaltungen gefeiert.
Die Stadt Köln war mit der Entscheidung, die jüdische Gemeinschaft auszuweisen, kein Einzelfall. Ziel der Vorlesungsreihe sei es, die große Zahl an Vertreibungen zu thematisieren, die sowohl im Reich wie auch in anderen europäischen Ländern stattfanden, heißt es in der Ankündigung der Universität Münster. Neben den Motiven für den wachsenden Judenhass wollen die Forscher auch die Auswirkungen für die jüdischen Menschen in den Blick nehmen. Laut Ankündigung wird die Leiterin des Jüdischen Museums Wien, Barbara Staudinger, im Schlussvortrag am 31. Januar darüber sprechen, wie der mittelalterliche Anti-Judaismus in der Gegenwart präsent ist.
1798, erst nach dem Ende der reichsstädtischen Zeit, durften sich die ersten jüdischen Familien wieder in Köln niederlassen. Drei Jahre später wurde eine Kultusgemeinde gegründet, die die Nazis zerstörten. Heute zählt die jüdische Gemeinde in Köln wieder knapp 4.000 Mitglieder.