Einst waren es Nahrungsmittelpakete, heute geht es um die Versorgung von Kriegsflüchtlingen oder die Hilfe für Opfer von Naturkatastrophen – seit 70 Jahren kümmert sich die Hilfsorganisation Care um notleidende Menschen.
Zuletzt waren es das verheerende Erdbeben in Nepal und die Flüchtlingsströme in Südosteuropa, die die internationale Hilfsorganisation Care auf den Plan riefen. Denn wenn sich irgendwo in der Welt eine Naturkatastrophe ereignet oder Menschen in Not sind, gehören die Mitarbeiter von Care zu den ersten, die zur Stelle sind. Vor 70 Jahren, am 27. November 1945, wurde Care als Zusammen-schluss 22 nichtstaatlicher Hilfsorganisationen in New York gegründet.
Die Initialzündung gab die Not nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa. Allein in Deutschland waren 20 Millionen Flüchtlinge, Vertriebene und Bombenevakuierte dringend auf Hilfe angewiesen. Im ersten Nachkriegswinter hatten deutsche Hilfswerke noch Selbsthilfe organisieren können.
Besonders in der französischen Besatzungszone drohte die Ernährung aber trotz Lebensmittelkarten unter die Marke von 1000 Kalorien zu fallen. Mangelkrankheiten wie Diphtherie, Tbc und Typhus grassierten. Erschütternde Bilder von Menschen, die in Kellerlöchern ihr Dasein fristeten oder Kindern und gebrechlichen Alten, die auf Müllkippen alliierter Offiziersmessen nach Essbarem suchten, gingen um die Welt.
Solidarität mit ehemaligem Kriegsgegner
Nachdem eine Delegation von Care nach Deutschland kam, um sich ein Bild vor Ort zu machen, drangen die Care-Manager darauf, auch das verfemte Deutschland in die Hilfe für Europa einzubeziehen. Der Name der Organisation kann in zweierlei Weise verstanden werden. „Care“ bedeutet im Englischen „Sorge tragen, sich kümmern“. Care ist zugleich die Abkürzung für „Cooperative for American Remittances to Europe“ (Zusammenschluss für amerikanische Lieferungen nach Europa).
Die Deutschen verbinden besonders die „Care-Pakete“ mit der Initiative, die ab dem Frühjahr 1946 verteilt wurden. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs gab es große Restbestände an Nahrungspaketen, die für Soldaten bestimmt waren. Diese wurden aufgekauft und nach Europa verschickt. Insgesamt zehn Millionen solcher Nahrungsmittelpakete seien allein in Deutschland verteilt worden, erklärt Karl Otto Zentel, Geschäftsführer von Care Deutschland/Luxemburg – „ein „bemerkenswerter Ausdruck von Solidarität mit dem ehemaligen Kriegsgegner“.
Besonders wichtig wurden die „Care-Pakete“ während der von der Sowjetunion verhängten Berlin-Blockade vom Juni 1948 bis Mai 1949. Die Westmächte starteten unter Federführung der Amerikaner mit der „Luftbrücke“ eine logistische Meisterleistung. Die 2,2 Millionen Einwohner West-Berlins wurden mit Frachtmaschinen versorgt. 380 amerikanische und britische Frachtflugzeuge – die sogenannten Rosinenbomber – beförderten in den Folgemonaten mehr als 2,3 Millionen Tonnen Lebensmittel, Brennmaterial, Gebrauchsgegenstände und Kleider in den Westteil der Stadt. Darunter waren 200 000 Care-Pakete, die die Bevölkerung vor großer Hungersnot retteten.
Bis 1960 half Care Menschen in Deutschland – nicht nur mit den berühmten Nahrungsmittelpaketen, sondern gezielt auch mit anderem Inhalt, etwa Kleidung, Materialien für den Schulbesuch oder Nähmaschinen. Der Ansatz, der noch heute gilt: weg von der Nothilfe hin zu längerer, gezielter Unterstützung, um den Menschen wieder zu einem eigenen Auskommen zu verhelfen.
„Was Care heute tut, und was Care damals getan hat, ist zwar immer noch humanitäre Hilfe und Entwicklungshilfe, aber in ganz anderen Formaten“, erklärt Zentel. Heute setzt die Hilfsorganisation ihren Schwerpunkt auf nachhaltige Entwicklung, besonders auf die Unterstützung von Frauen und Mädchen.
12 000 Mitarbeiter in 90 Ländern
„Die Förderung von Frauen trägt am stärksten zur Unterstützung und Verbesserung der Lebens- und Einkommenssituation der Familien bei“, sagt Zentel. Zugleich seien Mädchen und Frauen am meisten Gewalt und Unterdrückung ausgesetzt. Ein Erfolgsprogramm seien etwa die Kleinspargruppen, in denen inzwischen vier Millionen Frauen weltweit aktiv sind.
Überwiegend lokale Mitarbeiter helfen den Betroffenen vor Ort. Ein großer Vorteil, kennen sie doch die lokalen Gegebenheiten, so Zentel. „Die internationalen Kollegen unterstützten sie dann, etwa wenn es um Wasserversorgung, landwirtschaftliche Programme, die Verbesserung der Anbaubedingungen und die Anpassung an den Klimawandel geht.“
Bis 1980 war Care ausschließlich von den USA aus tätig, dann wurde als zweites Mitglied Care Deutschland gegründet. Heute existiert eine Konföderation von 14 Care-Mitgliedern, in Europa, Kanada, Australien, Japan, Indien, Thailand und Peru. Das Sekretariat von Care international koordiniert von Genf aus die Hilfsaktionen.
Allein im vergangenen Jahr war Care in 90 Ländern mit 12 000 Mitarbeitern aktiv. Über Länderbüros vor Ort oder Partnerorganisationen wurden 70 Millionen Menschen erreicht. Schwerpunkte waren zuletzt neben dem Erdbebengebiet in Nepal die Krisengebiete im Südsudan, Jemen, in Somalia, der Zentralafrikanischen Republik und in Afghanistan.
Care Deutschland und Luxemburg legen derzeit ein besonderes Augenmerk auf die humanitäre Unterstützung von Flüchtlingen auf ihrem Weg nach Europa. Da sich die Fluchtkorridore ständig ändern, würden keine festen Zentren vor Ort aufgebaut, erklärt Zentel. Vielmehr werde „dynamisch und mobil“ geholfen.
„Wir geben Flüchtlingen eine Tragetasche mit Nahrungsmitteln, Wasser und Babynahrung mit – auch eine moderne Form des Carepakets.“ Zudem werden kostenlose Aufladestationen für Mobiltelefone und ein Internetzugang bereitgestellt, so dass Kontakt zu Familienmitgliedern aufgenommen werden kann.
• Internet: www.care.de