Wie Vincent Möller persönlich von seinen zwei Jahren als Entwicklungsfachkraft im indischen Mumbai profitiert hat? „Ich habe dort gelernt, dass eine fachliche Beratung allein oft nicht gut funktioniert“, erklärt der Geograf, der heute als Referent für Klimaanpassung beim Land Bremen arbeitet. Viel wichtiger sei es gewesen, die richtigen Akteure miteinander ins Gespräch zu bringen und zu vernetzen. „Diese Art des vernetzten Denkens und Arbeitens prägt mich auch heute noch.“
In Indien hatte Möller von 2014 bis 2016 im Auftrag des katholischen Hilfswerks Misereor die Einbindung von erneuerbaren Energien in die Arbeit indischer Partnerorganisationen unterstützt. In Armensiedlungen habe er aber immer mehr über die komplexen Probleme der Menschen erfahren, die oft nicht mit einfachen technischen Ansätzen zu bewältigen gewesen seien: „Ich hatte keine perfekten Lösungen parat.“ So sei er immer mehr in die Rolle des Vermittlers geschlüpft, der Kontakte zu Personen mit ähnlichen Problemen herstellte, erinnert sich der 41-Jährige.
Mit anderem Blick auf Gemeinschaften
Heute koordiniere er die Fortschreibung der Bremer Klimaanpassungsstrategie – und konzentriere sich auch dabei darauf, verschiedene Ressorts zusammenzubringen. Die Erfahrungen aus seinem Indien-Einsatz sieht er dabei als modellhaft „für eine zeitgemäße personelle Zusammenarbeit, die stärker auf Vernetzung und Vermittlung zwischen den Welten setzt“.
Denn in Europa könne man viel davon lernen, wie andere Gemeinschaften mit gesellschaftlichen Herausforderungen umgingen: „Andere Länder haben vielleicht nicht die gleichen wirtschaftlichen Möglichkeiten wie wir in Westeuropa, aber sie kommen gerade deshalb oft auf neue und innovative Lösungen.“ So habe er in Indien ein Projekt kennengelernt, in dem Familien auf dem Land Kuhdung und Küchenabfälle in Mikro-Biogasanlagen verwenden und das entstandene Gas zum Kochen benutzen.
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Und noch etwas anderes hat er aus seiner Zeit in Indien mitgebracht: Seine Bereitschaft, sich in der Gesellschaft ehrenamtlich zu engagieren, sei „recht hoch“, sagt Möller. Er arbeitet seit 2022 im Vorstand des katholischen Fachkräftevermittlers Agiamondo e.V. mit. Seine Einstellung habe sich seit dem Dienst verändert, ergänzt der 41-Jährige. Denn 2014 sei er mit viel Idealismus und Theorien im Gepäck auf die Alltagsrealität der indischen Megastadt Mumbai getroffen. Und plötzlich habe er alltagstaugliche Lösungen suchen müssen: „Diesen Pragmatismus habe ich mir auch im weiteren Leben bewahrt.“
Heimkehrer seien “überdurchschnittlich sozial”
Dass Entwicklungsdienst in den Ländern des globalen Südens und in Krisen- und Kriegsgebieten sehr wichtig ist, dass aber auch die Rückkehrer „eine enorme Bereicherung für unsere Gesellschaft“ darstellen, das betonte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) im Juni 2022 in Berlin bei einer Ehrung von Fachkräften. „Zurückgekehrte Fachkräfte sind im Vergleich zur Mehrheitsgesellschaft tatsächlich überdurchschnittlich sozial“, stimmt Gabi Waibel zu, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft der Entwicklungsdienste.
Mit ihrem Dachverband, der alle sieben vom Bundesministerium anerkannten Träger des Entwicklungsdienstes vertritt, hat Waibel 2022 die Studie „Die Welt im Gepäck“ über Rückkehrer vorgestellt. Ergebnis der Untersuchung, für die Daten von knapp 600 Rückkehrern ausgewertet und 15 Intensivinterviews geführt wurden: Mehr als 90 Prozent dieser Menschen seien sozial engagiert. Das seien mehr als doppelt so viele wie im Bevölkerungsdurchschnitt, sagt Waibel. „Wir haben ermittelt, dass zahlreiche ehemalige Fachkräfte Länder- und Solidaritätsgruppen ihrer ehemaligen Einsatzländer gegründet haben.“ Andere unterstützten Geflüchtete, seien in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit tätig und setzten sich auch ehrenamtlich im Kampf gegen Rassismus und für Frieden ein.
Entwicklungshelfer sind soziale Fachkräfte
„Aktuell sind zirka 900 Fach- und Friedensfachkräfte in über 80 Ländern weltweit im Einsatz“, rechnet Waibel vor. Die durchschnittliche Dienstzeit liege bei 33 Monaten. Jedes Jahr kämen also mehrere Hundert Fachkräfte zurück. „Diese Phase kann herausfordernd sein, für die Fachkräfte oder auch für einzelne Familienmitglieder“, erklärt Waibel. Im Dachverband begleite man sie beispielsweise mit Coaching zur beruflichen Neuorientierung und im Bewerbungsprozess.
„Über 46 Prozent der von uns Befragten entschieden sich, beruflich weiter in der Entwicklungszusammenarbeit im In- und Ausland tätig zu sein, zwölf Prozent im Bereich Soziales und Gesundheit und zehn Prozent im Bildungsbereich“, berichtet die Geschäftsführerin. Weitere Arbeitsfelder seien Bereiche wie Klimagerechtigkeit, Friedensarbeit sowie Krisen- und Nothilfe.