BERLIN – Die SPD-Bundespolitiker Kerstin Griese und Wolfgang Thierse sehen in der religiösen Vielfalt eine gesellschaftliche Chance, sofern die demokratischen Regeln eingehalten werden. Der frühere Bundestagspräsident Thierse sagte bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung über Religion, Vielfalt und Demokratie in Berlin, es komme darauf an, die Kraft der unterschiedlichen Überzeugungen für das Gemeinwohl zu nutzen: „Wir leben nicht in einer säkularen Gesellschaft“, sagte Thierse. Wenn es um Grundfragen des Zusammenlebens gehe, seien die Stimmen der Religionsgemeinschaften gefragt.
Die Religionsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Griese, plädierte für eine offene Auseinandersetzung und eine grundlegende religiöse Bildung. Der Laizismus habe Frankreich nicht geholfen, mit kulturellen und religiösen Konflikten umzugehen, sagte die SPD-Politikerin vor dem Hintergrund der jüngsten islamistischen Anschläge. Der Dialog zwischen Religionsgemeinschaften und Gesellschaft in Deutschland biete hingegen Chancen, die genutzt werden müssten: „Wir sind in einer Phase, in der vieles neu ausgehandelt werden muss“, sagte Griese.
Der designierte Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes und ehemalige Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, warnte davor, die Radikalisierung von Muslimen mit dem Flüchtlingszuzug in Verbindung zu bringen. Das Problem bestehe schon seit Jahren. Ohne Frage werde sich das Land durch die Flüchtlinge verändern, sagte Kramer und plädierte für einen intensiven Dialog der Religionsgemeinschaften mit der Gesellschaft. Die Gemeinschaften müssten auch auf unangenehme Fragen eine Antwort geben, sagte er und erinnerte an die Beschneidungs-Debatte.
Aus Sicht der Muslime plädierte Tuba Isik vom Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften der Paderborner Universität dafür, den Islam als religiöse Gemeinschaft anzuerkennen, obwohl dessen Strukturen nicht denen der Kirchen oder der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland entsprächen. Insgesamt profitierten die Muslime in Deutschland aber schon heute von dem traditionell guten Verhältnis der Religionsgemeinschaften zum Staat.
Das ehemalige Mitglied der Islamkonferenz sagte, seit 60 Jahren lebten Muslime in Deutschland: „Wir verstehen uns als deutsche Muslime und wollen einen deutschen Islam prägen", so Isik. epd
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Vielfalt als Chance
Politiker diskutierten mit Religionsvertreterinnen und -vertretern über die Bedeutung der Religionen. Plädoyer für einen „deutschen Islam“