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Veteranentag in Deutschland feiert Premiere – Große Feier in Berlin

Große Bühnen, viele Acts und Bryan Adams: Der Festakt zum ersten nationalen Veteranentag in Berlin gleicht einem Festival und soll die Soldaten ehren. Doch steckt auch ein werblicher Gedanke dahinter?

Auf der Gästeliste tummelt sich nationale und internationale Prominenz – darunter Popstar Bryan Adams. Gleich zwei große Bühnen sind vor dem Reichstagsgebäude in Berlin aufgebaut. Bands spielen, es gibt zahlreiche Imbissstände und verschiedenste Vorführungen. Keine Frage: Der zentrale Festakt zum ersten nationalen Veteranentag an diesem Sonntag hat Festivalcharakter.

“Es war höchste Zeit für diesen Schritt”, sagt Bundestagspräsidentin und Schirmherrin Julia Klöckner bei der Eröffnung.Der Tag schafft etwas, was lange gefehlt hat – Sichtbarkeit und Respekt für die Veteranen unseres Landes.” Der Veteranentag sei ein Auftrag: Es brauche eine Gesellschaft, die dauerhaft hinsehe und Anerkennung schenke.

Nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland laden an diesem Tag Länder, Städte und Kommunen, Veteranenverbände, Einheiten der Bundeswehr, aber auch viele weitere Institutionen und die Kirchen zu vielfältigen Veranstaltungen ein. Die Aktion geht auf einen Beschluss des Bundestags zurück und soll auf die Bedeutung und die Leistung von Veteraninnen und Veteranen für Frieden, Freiheit, Demokratie und eine starke Gesellschaft aufmerksam machen. Der Veteranentag soll das Band zwischen Bundeswehr und Gesellschaft stärken und künftig alljährlich rund um den 15. Juni begangen werden.

Dass sich viele Menschen durch den Tag gewürdigt fühlen, wird bei Gesprächen mit den Besuchern in Berlin deutlich. Für Sven Karsten, der an einer Bundeswehr-Mission in Afghanistan teilgenommen hat, ist die Anerkennung für Veteranen von ungeheurer Relevanz: “Bei einer Reise nach Kanada kam ich 2018 mit den Leuten dort ins Gespräch. Als mir dann für meinen Dienst gedankt wurde, hat das unglaublich gutgetan”, so der 44-Jährige.

Doch der Tag steht auch – ob gewollt oder nicht – unter dem Einfluss der aktuellen Debatten zur Kriegstauglichkeit der Bundeswehr und einer möglichen Wiedereinführung der Wehrpflicht. So bereitet Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) laut dem “Handelsblatt” den Weg zur Wiedereinführung der Wehrpflicht gesetzlich vor. Demnach setzt das Modell zunächst auf Freiwilligkeit. Kommen auf diese Weise aber nicht genügend Soldaten zusammen, soll der Bundestag über eine Wehrpflicht-Rückkehr abstimmen.

Diese mögliche Rückkehr ist unter den Veteranen auf dem Festgelände in Berlin ein großes Thema. “Eigentlich war ich lange Gegner des Wehrdienstes”, sagt Günter Merkel. “Doch nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat bei mir ein Umdenken eingesetzt.” Der 66-Jährige, der selbst Wehrdienst geleistet hat, befürwortet eine allgemeine Dienstpflicht.

Mitunter werden auch deshalb große Geschütze aufgefahren – weil es um “die Annäherung zwischen der Bevölkerung und den Veteraninnen und Veteranen” geht, wie es auf dem Internetauftritt des Veteranentags heißt. Und, unausgesprochen, um eine Annäherung zwischen der Bevölkerung und der Bundeswehr. Die Armee und der Beruf des Soldaten soll zwischen Musik und Imbissständen attraktiv beworben werden, so der Eindruck auf der Berliner Großveranstaltung.

Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck blickte im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) positiv auf den Veteranentag: Soldatinnen und Soldaten übten als Staatsbürger in Uniform ihren Dienst in der Mitte der Gesellschaft aus: “Und genau in der Mitte unserer Gesellschaft muss es ein tiefes Bewusstsein für die Bedeutung einer solchen Kultur der Wertschätzung und des Gedenkens geben.” Das sei auch “die richtige Antwort auf Vereinnahmungs- oder Verunglimpfungsversuche durch die politischen Ränder”.

Im Spannungsfeld zwischen der Forderung nach mehr Kriegstüchtigkeit auf der einen und mehr Friedenspolitik auf der anderen Seite gehören laut Overbeck beide Perspektiven zusammen: “Eine demokratische Gesellschaft muss wehrhaft sein, um die eigene Freiheit schützen zu können.” Doch “natürlich darf erhöhte Wehrhaftigkeit niemals mit dem Verlust der eigenen Werte einhergehen.” Hier könne der Veteranentag einen Beitrag leisten: Die Veteraninnen und Veteranen könnten für einen moralischen Kompass einstehen.

Für die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, passt der Veteranentag hingegen “ins Bild der schleichenden Militarisierung”. Im “Tagesspiegel” mahnte sie: “Eine Gesellschaft muss nicht kriegstüchtig sein, sondern sollte friedensfähig werden.”