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Versöhner oder Zerstörer?

Messianische Juden sind eine Sondergruppe zwischen Christentum und Judentum, die von vielen Seiten mit Misstrauen betrachtet wird. Ein Positionspapier der EKD soll weiterhelfen

Messianische Juden sind Juden, die an Jesus, den Messias glauben und dabei an ihrer jüdischen Identität festhalten. Sie sind also – ja, was? Juden? Christen? Beides – oder gar keins von beidem?
Tatsächlich ist die Frage gar nicht so leicht zu beantworten. Das liegt zum einen an der sehr unterschiedlich ausgeprägten Frömmigkeit der nur lose verbundenen Gruppen, die von einer jüdisch-orthodoxen Gesetzestreue auf der einen Seite und einer liberalen Haltung auf der anderen reicht. Außerdem halten sich – anders als die Bezeichnung „messianische Juden“ nahelegt – auch Menschen mit christlichem oder atheistischem Hintergrund zu der Gruppierung, weil sie darin eine besondere Nähe zur ersten urchristlichen Gemeinde in Jerusalem zu finden glauben.
Und schließlich ist nicht immer klar, was „messianisch-jüdisch“ eigentlich theologisch bedeutet. Jesus der Messias kann, ganz im christlichen Sinn, als menschgewordener Gottessohn verstanden werden; es gibt aber auch Gruppierungen, die etwa die Trinität ablehnen, da sie dem jüdischen Verständnis von dem einen Gott widerspricht. Die christliche Frömmigkeit steht in der Regel der evangelikal-charismatischen Richtung nah, zu der etwa Lobpreis, persönliches Zeugnis und Missionseifer gehören.
Die Gläubigen der messianisch-jüdischen Gemeinden selbst fühlen sich als Juden. Jüdische Theologen dagegen halten das für Etikettenschwindel: Wer einen anderen Glauben als den jüdischen annimmt, ist kein Jude mehr. Aber auch Christen haben ihre Schwierigkeiten, denn je nach Ausprägung stehen die messianischen Juden christlichen Glaubensgrundsätzen durchaus kritisch gegenüber. Auch ist nicht immer klar, welchen Stellenwert die Befolgung der Tora in der Gottesbeziehung einnimmt.
Und ein weiteres Problem kommt hinzu: In Deutschland lehnen evangelische wie katholische Kirche  Judenmission ausdrücklich ab. Die Gruppe der messianischen Juden jedoch betreibt Judenmission. Das führt zu heftiger Kritik durch die jüdische Gemeinschaft, die bis hin zu dem Vorwurf geht, das Christentum wolle auf diesem Weg das Judentum auslöschen.
Vor allem der letzte Punkt ist sensibel, wenn es um den jüdisch-christlichen Dialog geht. Hier ist seit dem Holocaust in geduldigem Bemühen von Christen und Juden Vertrauen gewachsen, das nicht zerstört werden darf.
Für evangelische Gemeinden, die mit messianisch-jüdischen Gruppen Beziehungen pflegen möchten, hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) jetzt eine Broschüre veröffentlicht, in der das Verhältnis zu dieser Bewegung erläutert wird. Betont wird darin, dass das „Nein“ zur Judenmission, das die EKD-Synode 2016 ausgesprochen hat, nicht in Frage gestellt werden darf. Auch sollten keine Kontakte gepflegt werden, die das gewachsene jüdisch-christliche Verhältnis gefährden könnten. Die EKD mahnt zur Zurückhaltung im Umgang mit messianischen Juden, sieht aber auch Möglichkeiten zu Gesprächen, „sofern es um den gemeinsamen Glauben an Jesus Christus geht“.

• Kostenloser Download der Broschüre: www.ekd.de unter dem Menü-Punkt „Schwerpunkte“ im Unterpunkt „Publikationen“.