Als Schuldnerberaterin arbeite ich nicht nur in zwei verschiedenen Städten, ich bin auch täglich mit zwei verschiedenen Welten konfrontiert. Egal, ob ich in meinem Büro in der Schuldnerberatungsstelle in Köln oder in Brühl sitze, immer habe ich in der Beratung mit verzweifelten überschuldeten Menschen auf der einen Seite und meist gut situierten Gläubigern auf der anderen Seite zu tun.
Im Schnitt sechs bis sieben Beratungen pro Klient
Den Menschen, die zu mir kommen, versuche ich die Angst vor Pfändung und einem Absturz in Existenznot zu nehmen. Mit den Gläubigern muss ich zum Teil hart verhandeln. Das ist anstrengend, aber ich mag beide Seiten meines Berufs.
Wenn jemand zur Erstberatung in meinem Büro sitzt, nehme ich mir immer etwas mehr Zeit. Die Menschen bringen dann in der Regel ihre Einkommensnachweise und Gläubigerunterlagen mit. Manchmal befinden sich die ganzen Dokumente und Briefe unsortiert in einer Plastiktüte. Auch ungeöffnete Post ist dabei. Viele sind überfordert mit den Unterlagen und Gläubigerschreiben und erzählen, warum sie sich jetzt an eine Schuldnerberatungsstelle wenden.
Die Geschichten sind oft tragisch. Nach der Scheidung, dem Tod des Ehepartners oder dem Verlust des Arbeitsplatzes konnten Kredite nicht mehr bedient werden, es kamen neue Schulden dazu. Statt direkt in eine Beratung zu gehen, wurde erst einmal versucht, alleine mit Banken, Versicherungen oder Vermietern zu verhandeln. Dann wurden immer mehr Rechnungen nicht gezahlt oder ignoriert, bis der Brief vom Gerichtsvollzieher im Postkasten lag oder der Strom sogar schon abgestellt wurde. Die Scham, über all das zu reden, ist groß.
Gemeinsam sortieren wir zunächst die Unterlagen, und ich übersetze dabei das komplizierte und angstmachende Juristendeutsch. Dann überlegen wir, wo die Klienten Ratenzahlungen einstellen können, ob sie Hilfe für ihre Mietrückstände beim Wohnungsamt oder ein Darlehen beim Jobcenter für ausstehende Stromrechnungen erhalten. Es kann auch ein Pfändungsschutzkonto eingerichtet werden, auf dem ein gewisser Grundfreibetrag pfändungsfrei ist. Ich beobachte immer, dass die Menschen im Laufe des Gesprächs lockerer werden, die Anspannung nachlässt und sie wieder Hoffnung schöpfen.
Im Durchschnitt kommen die Menschen sechs bis sieben Mal in meine Beratung, bis wir Ordnung in das Schuldenchaos gebracht haben. Im ersten Termin vereinbaren wir meistens, dass ich nach der Beratung alle Gläubiger anschreibe. Dabei weise ich darauf hin, dass mein Klient jetzt eine Schuldnerberatung in Anspruch nimmt, bitte um Geduld und eine Forderungsaufstellung.
Oft wissen die Menschen gar nicht genau, wie viele Schulden sie überhaupt bei wem haben. Doch erst wenn die Höhe der Gesamtverschuldung klar ist, kann ich mit den Gläubigern einen Vergleich aushandeln. Dabei geht es darum, dass die Klienten 30 Prozent ihrer Schulden tilgen und ihnen der Rest erlassen wird. Für die Gläubiger ist dies dann attraktiv, wenn sie fürchten müssen, ihr Geld sonst gar nicht mehr zu erhalten.