Der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof muss in einem Organstreitverfahren darüber entscheiden, ob die frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und die Mainzer Staatskanzlei öffentlich zur Teilnahme an Protesten gegen die AfD aufrufen und die Partei scharf kritisieren durften. Es gelte weiterhin das Neutralitätsgebot und der Grundsatz, dass staatliche Stellen keine Parteienwerbung betreiben dürften, erklärte Gerichtspräsident Lars Brocker am Freitag bei der mündlichen Verhandlung (AZ: VGH O 11/24). Auch das Konzept der wehrhaften Demokratie sei „keine Blankovollmacht für jede beliebe Erklärung“.
Gegenstand des Rechtsstreits waren mehrere öffentliche Äußerungen in sozialen Netzwerken und Pressemitteilungen der Landesregierung aus dem Januar 2024 im Umfeld der Veröffentlichungen des Recherchenetzwerks Correctiv. Dessen Berichte über „Deportationspläne“ der AfD hatten bundesweite Massenproteste gegen die rechte Partei ausgelöst. Die AfD hatte zunächst in einem Anwaltsschreiben die Abgabe einer Unterlassungserklärung gefordert und dann Klage eingelegt.
Regierungsvertreter hätten kein Recht, Oppositionsparteien mit NS-Vergleichen und ähnlichen Äußerungen zu bekämpfen, erklärte Partei-Anwalt Christian Conrad. „In einem freiheitlich-demokratischen Staat hat die Regierung nicht das Recht festzulegen, wer gut und wer schlecht ist.“ Dies gelte umso mehr, als die AfD der Correctiv-Darstellung von geplanten Massendeportationen sofort entgegengetreten sei.
Staatskanzleichef Fedor Ruhose (SPD) sagte in der Verhandlung, die Landesregierung habe nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, für die Grundsätze der Verfassung einzutreten. „Unsere Grundwerte geraten gerade ins Wanken“, warnte er. Nach Auffassung des Landes dürfen beim Kampf gegen Verfassungsfeinde auch in der Öffentlichkeit die Namen der entsprechenden Parteien genannt werden. Aufrufe zu Protesten seien im Vergleich zu einem Parteienverbot zudem das mildere Mittel.
Die Frage, ob Regierungsbehörden und öffentliche Amtsträger mit Äußerungen die Rechte der Opposition beschränken, hat deutsche Gerichte in der Vergangenheit immer wieder beschäftigt. Zuweilen scheiterten Klagen, weil die Richter urteilten, dass Politiker-Äußerungen nicht in deren Eigenschaft als Amtsträger, sondern als Parteivertreter gefallen waren. Mehrfach wurden Regierungsvertretern aber auch bescheinigt, in unzulässiger Weise die Rechte von Oppositionskräften beschnitten zu haben. So hatte das Bundesverfassungsgericht 2022 Aussagen der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die AfD im Zusammenhang mit der Landtagswahl in Thüringen für unzulässig erklärt.