Urlaub ist die kostbarste Zeit des Jahres. Urlaub ist Ausnahmezustand von der Alltagsroutine mit all ihren Verpflichtungen und Belastungen. Urlaub ist Statussymbol. Auf Urlaub spart man hin, im Urlaub will man sich so richtig was gönnen. Und für viele ist der Urlaub das, was das Leben überhaupt erst sinnvoll macht. Dieses Leben im Hamsterrad, in dem sich alle nur noch abstrampeln und erschöpft sind. Ernsthaft?
Früher waren Kreuzzüge der Ballermann
Dass der Urlaub eine hochpolitische Angelegenheit ist, beweist schon die Herkunft seines Namens. Das althochdeutsche Wort „urloub“, seit etwa dem 8. Jahrhundert bekannt, bedeutet so viel wie „Erlaubnis“. Eine Erlaubnis, sich von seinem Dienstherren entfernen oder verabschieden zu dürfen. In den Heldenepen des Mittelalters waren es die Rittersleute, die nach allen formalen Regeln ihren Dienstherrn oder eine hochstehende Dame um „urloub“, also um die Erlaubnis baten, ihre beruflichen Pflichten als Kämpfer oder Botschafter ausfüllen zu können.
Ja, genau: Frei haben, um zu kämpfen. Nicht etwa der Ballermann oder Bali winkten da mit Sonne, Strand und gutem Essen. Da ging es eher in die Kreuzzüge nach Jerusalem, die dem zweifelhaften Ruhm des Herrscherhauses zu dienen.
Urlaub: Auszeit mit Lohnfortzahlung
Und auch heute ist Urlaub noch Teil eines hierarchischen Verhältnisses, quasi eine Auszeit mit Lohnfortzahlung. Denn mächtig sind die, die einen Urlaub genehmigen können. Und ein Souverän darf sich nur nennen, wer über seine Zeit frei verfügen kann. In einem kapitalistischen Gesellschaftssystem sind das entweder die ganz Reichen – oder die Bitterarmen. Der Mensch ist ein selbstbestimmtes Wesen? Von wegen. Urlaub zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist.
Vielleicht müsste es eine Art Urlaubsrevolution geben. Nicht mehr ackern und malochen, bis endlich der vermeintlich wohlverdiente Jahresurlaub als Heilsversprechen daherkommt. Nein, die kleinen und regelmäßige Pausen sind der Clou. Schon im Buch Genesis heißt es doch: „Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn; denn an ihm ruhte er von allen seinen Werken“ (Genesis 2,3). Ein Spaziergang am Abend, für die Zeit der Besinnung auf das Wesentliche. Die Ruhepause am Mittag, um reflektiert auf Geschafftes zurückzublicken.
Regelmäßige Pausen statt einmal aus dem Alltag flüchten
Warum also nicht Urlaub machen, wie andere ein Nickerchen: kurz und erholsam. Alles andere wird früher oder später sowieso zum Problem. Denn Urlaub in der Form, wie er seit dem Wirtschaftswunder der 1950er Jahre bekannt ist – und dieser Wahrheit muss man sich stellen –, ist die gnadenlose monetäre Verwertung unserer kostbaren Zeit. Eine milliardenschwere Tourismusindustrie lässt die Urlauberinnen und Urlauber alljährlich in dem Glauben schwelgen, wie sehr sie sich das All-Inclusive-Paket im Vier-Sterne-Club an der Costa Brava hart erarbeitet und noch härter verdient haben. Bei der Buchung auf einem Internetportal blenden sie gekonnt aus, dass weder Land noch Leute vom Aufenthalt vor Ort profitieren. Ganz im Gegenteil: Der Urlauber wird unweigerlich Teil eines Problems, das sich »Tourismus« nennt, einer der größten Wirtschaftszweige der Welt – mit fatalen Folgen für Umwelt, Klima und die Menschen vor Ort.