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Unter der Bläserglocke vereint

Wenn 17 500 Bläser zusammen spielen, vibriert ein Fußballstadion, schwärmt ein Ministerpräsident – und können Vorurteile wanken. „Luft nach oben“ lautete das Motto der Großveranstaltung vom 3. bis 5. Juni in Dresden

Wie aus einem gewaltigen Schalltrichter steigen aus dem Dresdner Fußballstadion die Klänge über die Stadt: 17 500 Blechbläser sind am vergangenen Sonntag der größte Posaunenchor der Welt. „Dieser Hall, diese Massen – das ist überwältigend“, sagt Joachim Richter (66) aus Hohendubrau in der Lausitz, der beim Abschlussgottesdienst des Deutschen Evangelischen Posaunentages mit Tuba und tausenden anderen Bläsern auf dem Fußballrasen sitzt. Dieser Klang lässt das Stadion vibrieren. Und die Menschen in ihm.

„Überwältigender Klang des Gotteslobs“

„Das ist eine starke Gemeinschaft aus so vielen Menschen, die alle – ob jung oder alt, Mann oder Frau, schwarz oder weiß – das Gleiche wollen: Musik zum Lobe Gottes“, ist Dietrich Krüger (53) von der Stadionkulisse beeindruckt. Er reiste mit seinem 60-köpfigen Posaunenchor aus dem badischen Bruchsal nach Dresden. Was er von der Elbe mitnimmt? „Die Abendstimmung der Serenade war ein ganz besonderes Gefühl. Das bekommt man als normaler Posaunenchor sonst nicht.“
Vor der barocken Pracht der Stadt spielten am Sonnabendabend auf beiden Seiten der Elbe die versammelten Bläser zusammen. Tausende Lämpchen von Notenpulten funkelten in der Dunkelheit, Familien und Paare lagen auf Decken am Elb­ufer und lauschten einem großen Klang, der auch das Unperfekte aufnahm und zu großer Schönheit verwandelte.
Selbstverständlich war das nicht beim Dresdner Posaunentag. Erst kurz vor der Eröffnung am Freitagnachmittag gingen starke Regenfälle über der Stadt nieder. Wie in ganz Deutschland galten Unwetterwarnungen. Und es dauerte keine 25 Minuten, da mussten auch beim  Posaunentag Regenschirme aufgespannt werden und Noten wurden nass. Doch den Bläsern ging die Puste nicht aus.
„Diesen überwältigenden Klang des Gotteslobes beim Leipziger Posaunentag 2008 hat keiner vergessen“, sagte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) zum Auftakt vor der Dresdner Frauenkirche. Kirchliche Großereignisse wie diese schlügen Brücken in die Gesellschaft, lobte der katholische Regierungschef. „Sie laden Menschen mit Ihrer Musik ein, sich auf Gott einzulassen. Die alltägliche Arbeit der Posaunenchöre verdient unseren Dank und den Respekt der Gesellschaft.“
Den Antrieb der sächsischen Posaunenmission, nach Leipzig nun auch den zweiten Deutschen Evangelischen Posaunentag mit viel Ehrenamt und Engagement zu stemmen, beschrieb Sachsens Landesbischof Carsten Rentzing so: „Gott in festlichen Tönen die Ehre zu geben, ist für uns als Landeskirche ein Herzensanliegen. Die Posaunenchöre sind Schmuckstücke in unseren Gemeinden.“

„Posaunen sind so richtig evangelisch“

Die tausenden Bläser aus ganz Deutschland und zahlreichen anderen Ländern konnten in den drei Dresdner Tagen Konzerte erleben, an über 100 verschiedenen Plätzen der Stadt unter freiem Himmel für die nicht-christliche Mehrheit in der Stadt musizieren – und sächsische Gastfreundschaft genießen.
In Zeiten von Pegida-Demonstrationen gilt ein solch freundliches Bild von Dresden nicht mehr als selbstverständlich. Beim Abschlussgottesdienst im Fußballstadion spricht es Margot Käßmann als Schirmherrin des Posaunentages an: „Wenn hier in Dresden die so genannte Pegida-Bewegung sagt, sie verteidige das christliche Abendland, müssen wir sagen: Nein, ihr nicht!“
Die Masse der Bläser unterstrich diesen Appell mit einem lang gezogenen Ton. „Überzeugende Posaunenchöre können Mauern der Ausgrenzung und des Rassismus in Grund und Boden blasen und zum Einstürzen bringen wie in Jericho“, sagt die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Das letzte Stück des Posaunentages indes bleibt unvollendet. Der zweite Teil folgt im nächsten Jahr: in Wittenberg, beim 500. Reformationsjubiläum. Weil Posaunen, wie nicht nur Margot Käßmann meint, so richtig evangelisch sind.